Stalingrad
nicht mit Gold zu bezahlen. Man müßte ihn auszeichnen. Als ob er seinen Garten zu Hause umgrübe. Halt … Es hat wohl angefangen?«
Wir lauschen. Vom anderen Wolga-Ufer dringen die ersten Salven herüber. Ich blicke auf die Uhr. Vier Uhr dreißig.
»In die Grä-ä-ben!« schreit Lissagor. »Telefonist, ruf doch mal den Pionieren zu, daß sie reinkommen.«
Die Pioniere drängen sich in den Unterstand, rauchen, behindern sich gegenseitig mit ihren Gewehren und Spaten.
»Und wo ist Tugijew?«
»Noch dort oben.«
»Hast du so was gesehen? Streut noch Sand. Verschönert die Umgebung. Ruf ihn her, Sedelnikow. Ihm wird noch eine Granate den Kopf abreißen.«
Die Kanonade wird stärker. Durch die schlecht eingehängte Tür hört man, wie die Granaten über den Unterstand hinwegrauschen. Der Donner der Explosionen übertönt das Dröhnen der Abschüsse. Der Unterstand zittert. Der Sand fällt von der Decke. Lissagor stößt mich in die Seite.
»Was nun? Wollen wir die Leute nach Hause schicken, solange es nicht zu spät ist? Sonst, wenn Abrossimow kommt – dann ist’s aus. Der jagt alle in den Angriff.«
Die Leute müßte man wirklich zurückschicken, solange die Vorbereitung im Gange ist und die Deutschen schweigen. So machen wir’s auch.
Kaum sind sie fort, als der Major, Abrossimow und der Chef der Aufklärung erscheinen. Der Major atmet schwer – das Herz ist wahrscheinlich nicht in Ordnung.
»Nun, wie steht’s, Ingenieur, werden wir hier nicht verschüttet werden?« fragt er gutmütig, und es bilden sich Fältchen rings um seine Augen. Er greift schon nach seiner Pfeife.
»Ich denke, nein, Genosse Major.«
»Wieder ›Ich denke‹ … Ich werde dich dafür bestrafen. Für jedes ›Ich denke‹ fünf Rubel. Hast du Schienen gelegt?«
»Jawohl. In zwei Reihen.«
Abrossimow kommt heran. Die Lippen zusammengepreßt, die Augen zugekniffen.
»Und wo ist Lissagor?«
»Er ist ausruhen gegangen. Mit den Mannschaften.«
»Ausruhen? Hätte hierbleiben sollen. Haben sich die richtige Zeit ausgesucht zum Ausruhen …«
Ich antworte nichts. Ist nur gut, daß ich sie rechtzeitig ans Ufer zurückgeschickt habe.
»Und wo sind die übrigen?«
»Sind auf die Bataillone verteilt.«
»Was machen sie?«
»Sturmgassen.«
»Hast du kontrolliert?«
»Ja.«
»Und wo sind die Divisionspioniere?«
»Auf Erkundung.«
»Warum ist die Erkundung nicht gestern durchgeführt worden?«
»Weil der Befehl erst heute gekommen ist.«
Abrossimow kaut auf den Lippen. Seine Augen sind kalt und scharf, blicken unfreundlich. Der linke Mundwinkel zuckt leicht.
»Nimm dich in acht, Ingenieur, wenn die Unseren auf Minen stoßen – wird’s dir schlecht ergehen.«
Sein Ton gefällt mir nicht. Ich antworte, daß die Sturmgassen mit Pfählen gekennzeichnet und die Bataillonskommandeure in Kenntnis gesetzt worden seien. Abrossimow sagt nichts mehr. Er ruft das erste Bataillon an.
Die Kanonen donnern immer stärker und stärker. Die Explosionen und Schüsse verschmelzen zu einem ununterbrochenen Gedröhn, das nicht eine Minute aufhört. Die Tür schlägt alle Augenblicke hin und her. Sie wird mit Draht festgebunden.
»Sie arbeiten gut«, sagt der Major.
Ganz in der Nähe explodiert eine Granate. Erde fällt von der Decke, die Lampe erlischt beinahe.
»Das muß man zugeben – gut«, lächelt gezwungen der Aufklärungschef. »Gestern ist eine Hundertzweiundzwanziger beinahe zu Posharskij, dem Chef der Artillerie, in den Unterstand geflogen.«
Der Major lächelt auch, ich ebenfalls. Aber das Gefühl ist nicht angenehm. Die deutschen Stellungen sind etwa fünfzig Meter von uns entfernt, für die Fernartillerie ist das der normale Streukreis.
Wir sitzen und rauchen. In solchen Minuten fällt es schwer, nicht zu rauchen.
Später kommt ein Divisionspionier von der Erkundung. Sie haben achtzehn Minen, Marke »SK«, ausgesucht und durch Ausschrauben der Sprengzünder entschärft; die Minen haben sie liegenlassen. Er geht fort.
Abrossimow legt den Hörer nicht aus der Hand.
Sollten sich die Deutschen noch halten können nach einer solchen Vorbereitung?
Es wird heiß. Der Ofen ist orangerot. Ich knöpfe den Mantel auf.
»Leg nichts mehr nach«, sagt der Major zum Telefonisten. »Wenn es hell wird, werden sie nach dem Rauch schießen.«
Der Telefonist kriecht in seine Ecke.
Gegen sechs Uhr verstummt die Kanonade. Wir sehen jeden Augenblick nach der Uhr … Drei Viertel … Zehn vor … Fünf vor …
Abrossimow klebt förmlich am
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