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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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schicken Sie mir alle drei Stunden durch einen besonderen Melder.«
    Er spricht noch lange und ausführlich, ohne die geringste Einzelheit auszulassen, und teilt mir die Zeit beinahe in Stunden und Minuten auf. Ich schreibe schweigend mit. Die Divisionspioniere bereiten sich schon für ihre Aufgaben vor: Sie reinigen die Geräte, binden geballte Ladungen zusammen, fertigen Brandrohre an.
    Ich höre, schreibe mit und blicke auf die Uhr. Um neun Uhr gehe ich fort. Mit dem Kompanieführer der mir zugeteilten zweiten Kompanie – derselben, die bei mir ständig arbeitet – vereinbare ich, daß sie um zwei Uhr nachts zu mir kommt.
    Lissagor kommt mir entgegen, aufgebracht und zerzaust. Seine kleinen Augen blitzen.
    »Wie gefällt dir das? He, Leutnant?« Und ohne meine Antwort abzuwarten: »Eine Offensive … Ah?«
    Vor Aufregung verschluckt er sich, kann nicht ruhig sitzen, springt auf, läuft im Unterstand hin und her.
    »Nun, wird’s gelingen? … Haben uns eingegraben, eine unzählige Menge Minen gelegt, daß der Teufel sich selbst ein Bein brechen könnte. Haben alles eingerichtet … Und nun, sehen Sie, ist eine Offensive nötig. Bahne Sturmgassen! Nimm die Drahtwalzen weg! Die ganze Arbeit ist für die Katz … Hätten in den Gräben sitzen und ab und zu schießen können, wenn der Deutsche schon nicht kommt. Was brauchten wir mehr?«
    Lissagor fängt an, mich zu reizen.
    »Laß uns dieses idiotische Gespräch beenden. Paßt es dir nicht, dann kämpfe nicht, es ist deine Sache …«
    Lissagor beruhigt sich nicht. In seiner Stimme schwingt ein klagender Unterton mit.
    »Aber es ärgert einen doch, zum Teufel noch mal! Guck dir doch den Tisch an. Endlich einmal wollten wir auf menschliche Art und Weise Geburtstag feiern – und jetzt ist alles zum Teufel.«
    Der Tisch ist wirklich nicht wiederzuerkennen. In der Mitte vier entkorkte Halbliterflaschen, Wurst in dünnen, elliptischen Scheiben, eine Packung »Puschkin«-Gebäck, Schokolade in braungoldener Packung, Hering und – als Höhepunkt der Bewirtung – dampfendes Fleisch im Topf, das mit seinem Duft den ganzen Unterstand erfüllt.
    »Verstehst du – einen Hasen, einen richtigen Hasen hat Walega beschafft. Ist eigens auf die andere Seite hinübergefahren. Tschumak sollte kommen. Kondensierte Milch, die du so liebst … Und was soll man jetzt machen? Bis Neujahr aufheben, was?«
    Offen gesagt, würde ich mich jetzt auch mit weit größerem Vergnügen hinsetzen und gemächlich den Hasen verspeisen, ihn mit Wein hinunterspülen, als mich mit Vorbereitungen zu der Offensive beschäftigen. Aber was soll man machen …
    Wir gießen uns jeder ein halbes Glas ein und trinken es aus, ohne anzustoßen. Wir essen den Hasen. Er ist ein wenig zäh, aber das ist schließlich nicht wichtig. Wichtig ist, daß es ein Hase ist. Die Stimmung hebt sich ein wenig. Lissagor zwinkert mir sogar zu:
    »Beeil dich, Leutnant, eh man dich ruft. Zweimal hat man schon nach dir geschickt.«
    Eine Minute später erscheint der Stabsmelder. Abrossimow läßt mich zu sich rufen.
    Der Major und Abrossimow sitzen über der Karte. Im Unterstand kann man sich nicht umdrehen – Bataillonskommandeure, Stabsoffiziere, Kommandeure der Spezialeinheiten. Tschumak in seiner unvermeidlichen Matrosenmütze, mit aufgeknöpfter Jacke und leuchtendem Matrosenhemd.
    »Nun, Ingenieur, mit dem Festmahl war’s Essig.«
    »Essig!«
    »Macht nichts … Versteck’s im Büfett … Wenn wir zurückkehren, werden wir dir helfen.« Und er lacht fröhlich mit seinen blitzenden Augen.
    Ich dränge mich zum Tisch durch. Nichts Erfreuliches. Bis zum Beginn der Offensive muß ein neuer Beobachtungsstand für den Regimentskommandeur gebaut werden. Der alte taugt nichts: Die Wassertürme sind nicht zu sehen. Das ahnte ich schon. Na, und natürlich Minen räumen, Sturmgassen bahnen, das Vorgehen der Infanterie sichern.
    »Sieh zu, Ingenieur, daß alles klappt« – Borodin pafft seine Pfeife –, »habt eure Kartoffeln dort an der vordersten Stellung gesetzt – außer euch findet sich da keiner durch … Unsere eigenen könnten hochgehen. Jeder Mann wird gebraucht, das kannst du dir selbst denken.«
    Es ist zu merken, daß er aufgeregt, aber bemüht ist, es zu verbergen. Die Pfeife geht jeden Augenblick aus, und die Streichhölzer wollen nicht zünden – die Reibflächen taugen nichts.
    »Den Beobachtungsstand decke mit Schienen ab. Und daß ein Ofen da ist! Mein Rheumatismus hat sich wieder gemeldet. Um fünf Uhr – auf

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