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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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Mamai-Hügel vor uns.
    Bis zum Angriff bleiben noch eine Stunde und vierzig Minuten.
    27
    Der Angriff ist auf fünf Uhr angesetzt. Zwanzig vor fünf kommt Garkuscha ganz außer Atem angelaufen. »Genosse Leutnant …«
    »Was ist los?«
    Er atmet schwer und wischt sich die feuchte Stirn mit der Hand.
    »Der Spähtrupp ist zurückgekehrt …«
    »Nun, und?«
    »Sie sind auf Minen gestoßen …«
    »Was für Minen?«
    »Deutsche. Grad gegenüber dem linken Durchgang. Etwa in fünfzig Meter Entfernung. Unbekannte …«
    »Pfui Deibel … Wo habt ihr denn da gestern eure Augen gehabt?«
    »Sie behaupten, daß gestern noch nichts da war.«
    »Nichts da war … Wo ist dieser Buchwostow?«
    »Sitzt bei den Panzerjägern im Unterstand.«
    »Schirjajew! Ruf im Stab an, daß das Signal verschoben wird. Ich werde gleich …«
    Buchwostow, Führer des Aufklärungszuges des Pionierbataillons, furchtbar pockennarbig, mager, reibt sich verlegen die Hände.
    »Die Fritzen haben sie heute nacht gelegt. Ehrenwort, heute nacht. Ich habe gestern alles mit eigenen Händen abgetastet – war nichts da, Ehrenwort …«
    »Ehrenwort, Ehrenwort … Warum hast du nicht früher Meldung erstattet? Immer alles in letzter Minute. Sind viele da?«
    »Werden etwa zehn Stück sein. Unbekannte, sehe sie zum erstenmal. In der Art unserer POMS, aber nicht ganz … Der Sprengzünder ist an der Seite …«
    »Garkuscha, gib schnell die Tarnmäntel her. Du wirst uns führen.«
    Zu unserem Glück scheint der Mond nicht. Wir kriechen durch den Panzerdurchgang, der mit Pfählen gekennzeichnet ist. Der pockennarbige Sergeant, Garkuscha und ich. Vor meiner Nase blinken Garkuschas eisenbeschlagene Stiefelabsätze. Wir kriechen bis vor unsere eigenen Minenfelder. Ringsum ist alles völlig weiß. Vor uns zeichnet sich die Linie der deutschen Laufgräben ab. Der Sergeant hält im Kriechen inne. Schweigend zeigt er mit dem Fäustling auf etwas, das sich im Schnee dunkel abhebt … POMS, eine ganz gewöhnliche POMS – eingekerbter Block, Sprengzünder und Schnur. Und an der Seite ein zusätzlicher kleiner Pflock, damit die Mine fester in der Erde steht … Und der hat ihn für einen Sprengzünder gehalten. Ein Waschlappen und kein Aufklärer …
    Garkuscha, auf dem Bauch liegend, dreht gewandt einen Sprengzünder nach dem andern heraus. Mir sind die Hände steif gefroren, und mit Mühe drehe ich nur zwei heraus. Der Sergeant schnauft.
    Tsch-sch-sch … Eine Rakete.
    Wir erstarren. Im Mund wird es sofort trocken. Das Herz fängt an wie rasend zu schlagen. Gleich werden sie uns sehen, die Schweinehunde …
    Tsch-sch-sch … Eine zweite. Aus einem Augenwinkel heraus sehe ich, daß der Sergeant bereits etwa zehn Meter von mir fortgekrochen ist. Was für ein Mensch! Die Deutschen werden uns doch gleich entdecken.
    Eine kurze Maschinengewehrsalve …
    Sie haben uns entdeckt.
    Wieder eine Salve …
    Etwas schlägt mit furchtbarer Kraft gegen meine linke Hand, dann gegen meinen Fuß. Ich vergrabe den Kopf im Schnee, der mir in Mund, Nase und Ohren dringt … Er ist kalt. Wie angenehm! … Er knirscht zwischen den Zähnen wie Speiseeis … Und er hat gesagt, daß es keine POMS wären … Ganz gewöhnliche POMS. Nur ein kleiner Pflock an der Seite. Ein komischer Kauz, dieser Sergeant, weiter nichts … Nur noch Schnee zwischen den Zähnen …
    28
    »Wie geht es Dir, Jurka? Nach Deinem kleinen Zettel aus dem Lazarett zwei Monate kein Wort. Das ist einfach eine Schweinerei. Wärst Du wenigstens an der rechten Hand verwundet, so hättest Du eine Ausrede, aber es ist doch die linke. Nicht anständig, wahrhaftig, nicht anständig. Ich werde hier alle Tage nach Dir gefragt und kann nur antworten: Ist wahrscheinlich dick und fett geworden bei der Lazarettkost und von seinen Liebeleien mit den Krankenschwestern so in Anspruch genommen, daß ihm keine Zeit bleibt, an seine Kameraden zu denken! Aber die vergessen Dich nicht, Du nichtsnutzige Seele. Tschumak bewahrt extra für Dich ausgezeichneten Beutekognak (sechs Sternchen!) auf, gibt keinem davon zu kosten. Ich habe schon versucht, mich ranzumachen, aber ohne jeden Erfolg.
    Im übrigen ist uns alles zum Überdruß geworden. Wir haben es satt, an einem Fleck zu hocken, sind es zum Verrücktwerden überdrüssig. Andere greifen an, rücken nach Westen vor, und wir hocken immer noch in denselben Gräben, in denselben Unterständen. Der Fritz allerdings ist nicht mehr das, was er war. Dennoch ging es im vergangenen Monat hart auf hart.

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