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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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vorzugehen. Eine Weile ist niemand zu sehen. Dann tauchen die Gestalten wieder auf, jetzt schon näher. Sie kriechen aus der Schlucht heraus und gehen direkt übers Feld.
    »Kein Feuer eröffnen, bis ich es befehle«, sagt halblaut Schirjajew. »Ich habe zwei Maschinengewehre in der Nachbarscheune aufgestellt, von dort aus schießt es sich auch gut.«
    Die Soldaten liegen längs der Scheunenwände an den Fenstern und Türen. Jemand, ohne Feldbluse, nur im blauen Sporthemd mit übergeworfener Zeltbahn, hat sich auf einem Dachsparren eingerichtet.
    Die Kette bewegt sich gerade auf uns zu. Man kann schon, auch ohne Fernglas, die einzelnen Gestalten unterscheiden. Die Maschinenpistolen hängen bei allen über der Schulter. Vornweg ein hoher Magerer mit Brille, das muß der Kommandeur sein. Er hat keine Maschinenpistole um, sondern nur eine Pistole an der linken Seite. Die Deutschen tragen sie immer auf der linken Seite. Er watschelt leicht beim Gehen, anscheinend ist er müde. Daneben ein Kleiner mit einem großen Tornister auf dem Rücken. Er hat die Hände unter die Tornisterriemen gesteckt, raucht eine kleine, kurze Pfeife und nickt mit dem Kopf im Takt der Schritte. Es sieht aus, als ob er pickte. Zwei sind zurückgeblieben. Sie stehen gebeugt und betrachten etwas.
    Igor stößt mich in die Seite.
    »Guck … Siehst du?«
    An der Stelle, wo die erste Gruppe der Deutschen erschienen war, bewegt sich wieder etwas. Vorläufig läßt sich schwer unterscheiden, was es ist. Der Regen stört.
    Auf einmal tönt es mir direkt ins Ohr:
    »Feuer!«
    Der Vorderste mit der Brille sinkt schwerfällig zu Boden. Sein Gefährte auch und noch einige andere. Die übrigen laufen, stolpern, fallen hin, stehen wieder auf, stoßen gegeneinander.
    »Stop!«
    Schirjajew läßt die Maschinenpistole sinken. Die Verschlüsse knacken. Ein Deutscher versucht hinüberzukriechen. Er wird umgelegt. Er erstarrt auf allen vieren und kippt dann langsam auf die Seite. Mehr ist nicht zu sehen noch zu hören. So dauert es einige Minuten.
    Schirjajew schiebt die Feldmütze zurecht, die ihm auf den Hinterkopf gerutscht ist.
    »Gib mir was zu rauchen!«
    Igor sucht in der Tasche nach Tabak.
    »Gleich werden sie wieder angekrochen kommen.«
    Er zieht eine rotbraune runde Dose mit Tabak aus der Tasche. Die Deutschen haben Butter und Marmelade in solchen Dosen.
    »Wir haben noch Zeit, ein wenig zu rauchen. Mit einer Zigarette ist es angenehmer.« Schirjajew dreht sich eine Zigarette, so dick wie sein Finger.
    »Möchte wissen, ob sie Granatwerfer haben. Wenn ja, dann …«
    Eine Granate, die zwei Schritt vor der Scheune krepiert, läßt ihn den Satz nicht beenden. Die zweite krepiert irgend wo hinter der Wand, die dritte direkt in der Scheune.
    Der Beschuß dauert fünf Minuten. Schirjajew hockt mit dem Rücken gegen die Wand. Igor sehe ich nicht. Die Minen fliegen in Serien von fünf bis sechs Stück. Es folgt eine Unterbrechung von einigen Sekunden, und wieder fünf bis sechs Stück. Neben mir stöhnt jemand mit einer hohen Frauenstimme. Dann plötzlich Stille.
    Ich richte mich auf den Händen auf und blicke zum Fenster hinaus. Die Deutschen laufen übers Feld gerade auf uns zu.
    »Hört auf meinen Befehl!«
    Schirjajew springt hoch und ist mit einem Satz am Maschinengewehr.
    Drei kurze Garben, dann eine lange. Die Deutschen verschwinden in die Schlucht.
    Wir lassen die Soldaten aus den Scheunen kommen. Sie verschanzen sich jenseits der hinteren Wand. In den Scheunen lassen wir nur zwei Maschinengewehre zurück, das ist vorläufig genug. Wir haben schon vier Verwundete und sechs Tote.
    Der Beschuß beginnt von neuem. Unter Granatwerferdeckung kriechen die Deutschen aus der Schlucht heraus. Es gelingt ihnen, etwa zwanzig Meter zu laufen, nicht mehr. Das Gelände ist ganz flach, sie haben keine Möglichkeit, in Deckung zu gehen. Sie laufen einzeln in die Schlucht zurück. Die meisten von ihnen bleiben auf der Strecke. Auf der lehmigen, mit Steppengras bewachsenen Erde liegen einsam die Leichen, wie kleine grüne Hügel.
    Nach dem dritten Versuch stellen die Deutschen die Angriffe ein. Schirjajew wischt sich mit dem Ärmel die Stirn ab, die naß ist von Regen und Schweiß.
    »Jetzt werden sie mit der Einkreisung beginnen. Ich kenne sie schon.«
    Durchs Fenster kriecht Sawrassow herein. Er ist schrecklich blaß. Mir scheint sogar, daß ihm die Knie zittern. »In jenem Schuppen sind beinahe alle tot …« Er holt mühsam Atem. »Ein Splitter hat das

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