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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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zittert nicht mehr.
    Wir nehmen aus seinen Taschen ein Federmesser, eine zusammengefaltete Zeitung, die als Zigarettenpapier dienen sollte, und eine abgeschabte, mit einem roten Gummi umspannte Brieftasche. Aus der Feldbluse – das Komsomolbuch und einen dreieckig gefalteten Brief mit schiefen Kinderbuchstaben.
    Wir legen Lasarenko in ein Deckungsloch und graben ihn, nachdem wir ihn mit einer Zeltbahn zugedeckt haben, mit den Händen ein. Er liegt mit angezogenen Knien da, als ob er schliefe. So pflegen die Soldaten in den Gräben zu schlafen.
    Dann laufen wir einzeln zu einem kleinen Hügel hinüber, von diesem zu einem anderen, einem größeren. Die Deutschen beschießen noch immer die Scheune. Eine Zeitlang sind die Sparren noch zu sehen, dann verschwinden auch sie.
    7
    Nachts stoßen wir auf die Unseren. Ringsum ist es stockdunkel. Regen, Schmutz; Autos, Fahrzeuge. Eine heisere, sich überschlagende Stimme übertönt den allgemeinen Lärm und bleibt im Ohr haften bis zur Übelkeit.
    »He, ihr Äser! He, ihr Schmarotzer! Daß euch die Cholera …!«
    Und dieses »Äser« und »Schmarotzer«, das vollkommen gleichmäßig und ausdruckslos wiederholt wird, nur mit kleinen Pausen, die ausreichen, um die Lungen mit Luft zu füllen, klingt jetzt süßer als alle Musik. Die Unseren!
    Wir stoßen auf eine kleine Brücke. Ein großer Planwagen ist mit einem Rad durch die Brückenbohlen eingebrochen. Zwei jämmerliche Stuten, nur Haut und Knochen, mit blutigen Flanken und langgezogenen Hälsen, gleiten mit ihren Hufen auf den nassen Brückenbohlen aus. Dahinter stauen sich Autos. Im Lichte der aufleuchtenden Scheinwerfer sieht man durchnäßte Gestalten. Ein stämmiger Bursche in einer wattierten Jacke peitscht die Pferde auf Augen und Maul.
    »Verfluchte Schmarotzer. He, he, daß euch! … He, he!«
    Jemand stemmt sich ächzend und schimpfend gegen das Rad.
    »Ach, du, pack doch nicht da an, sondern hier … Siehst du, so …«
    »Da hast du’s. Siehst du denn nicht, daß alles morsch ist?«
    »Mensch, faß die Achse an.«
    »Die Achse! Siehst du nicht, wieviel Kisten aufgeladen sind. Die Achse …«
    Jemand in einer Kapuze stößt mich mit der Schulter.
    »Runterschmeißen sollte man sie, zum Teufel!«
    »Ich werde dich selber runterschmeißen«, wendet sich der stämmige Bursche an ihn.
    »Und doch, ich schmeiße dich runter. Sollen vielleicht deinetwegen die Autos hier stehenbleiben?«
    »Sollen sie ruhig stehen.«
    »Serega, fahr zu!« Der Mensch in der Kapuze winkt mit der Hand.
    Der stämmige Bursche packt ihn an der Schulter. Unter dem Wagen tauchen weitere drei auf. Im Scheinwerferkegel huschen nasse Rücken vorbei, müde, schmutzige Gesichter, auf den Hinterkopf geschobene Feldmützen. Ich erkenne in dem Menschen mit der Kapuze den Chef unserer Waffenmeisterei, Kopyrko. Die Kapuze rutscht ihm ständig in die Augen und behindert ihn sehr. Kopyrko erkennt mich nicht.
    »Was wollen Sie noch?«
    »Erkennst du mich nicht wieder? – Ingenieur Kershenzew.«
    »Verdammt! Woher? Allein?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, wirft er sich wieder auf den Burschen mit der Peitsche. Alle packen zu, und unter Schreien und Ächzen werden die Räder herausgezogen. Walega und Sedych legen kräftig mit Hand an.
    »Setz dich ins Auto«, sagt Kopyrko, »ich bring dich hin.«
    »Wohin fährst du denn?«
    »Was heißt, wohin?«
    »Wohin willst du mich bringen? Ich muß nach Kantemirowka. Dort sind Vorwerke.«
    »Willst dir wohl die Fritzen angucken?« Kopyrko lächelt müde. »Ich bin dort kaum mit dem Auto herausgekommen.«
    »Und jetzt wohin?«
    »Dahin, wohin alle wollen, nach Süden … Nach Millerowo vielleicht. Nun los, rauf aufs Auto!«
    »Ich bin nicht allein. Wir sind zu viert.
    Er schwankt und winkt dann mit der Hand.
    »Gut, kommt rein. Das Benzin reicht sowieso nicht lange. Wen hast du alles mit?«
    »Swiderskij und zwei Soldaten – Melder.«
    »Steigt ein in den Kasten, hier in den ›Ford‹. Übrigens … Wir beide werden im Führerhaus Platz haben. Der Teufel soll diese Brücke holen. Ob sie uns wohl aushält?«
    Aber die Brücke hält. Knirscht, ächzt, aber sie hält. Das Auto fährt, rumpelt schwerfällig, knatternd. Der Motor hat Mucken. »Bist du Schirjajew begegnet?« frage ich.
    »Nein, wo ist er?«
    »Wir waren zusammen. Wo er jetzt ist, weiß ich nicht.«
    »Hast du gehört, daß der Major und der Kommissar tot sind?«
    »Ja. Und Maximow?«
    »Weiß ich nicht. Ich war bei den rückwärtigen Diensten.«
    Kopyrko

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