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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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Maschinengewehr beschädigt. Ich meine …« Er wendet die Augen verloren vom Bataillonskommandeur zu mir und dann wieder zum Bataillonskommandeur.
    »Was meinst du?« fragt Schirjajew.
    »Man muß sich … muß sich … entscheiden …« »Entscheiden! Entscheiden! Ich weiß auch ohne dich, daß
    man sich entscheiden muß. Wieviel Mann sind ausgefallen?« »Ich habe … sozusagen … noch nicht gezählt …« »Nicht gezählt …«
    Schirjajew richtet sich auf und tritt an die Hinterwand des Schuppens. Durch das zerbrochene Fenster sieht man das ebene, gleichmäßige Feld ohne einen einzigen Strauch. »Also … setzen wir uns in Bewegung, nicht? Hier werden sie uns keine Ruhe lassen.«
    Er dreht sich um. Er ist etwas blasser als gewöhnlich. »Wie spät ist es? Meine Uhr ist stehengeblieben.« Igor sieht auf die Uhr.
    »Zwanzig Minuten nach elf.«
    »Nun, dann los …« Schirjajew beißt sich auf die Lippen.
    »Aber ein Maschinengewehr werden wir opfern müssen.
    Wir müssen Deckung haben.«
    Es stellt sich heraus, daß von den MG-Schützen nur noch Filatow übriggeblieben ist. Kruglikow ist tot, Sewastjanow verwundet. Schirjajew läßt die Augen über den Schuppen gleiten.
    »Und Sedych? Wo ist Sedych?«
    »Da sitzt er, auf dem Sparren.«
    »Komm her!«
    Der Bursche, nur im Sporthemd, hängt gewandt einen Augenblick an den Händen und springt dann leichtfüßig auf den Boden.
    »Kennst du dich mit einem MG aus?«
    »Kenn mich wohl aus«, antwortet der Bursche leise und bewegt kaum die Lippen.
    Er sieht Schirjajew in die Augen, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Er hat ein rosiges Gesicht mit einem goldenen Flaum auf den Wangen, die Augen sind noch ganz kindlich, fröhlich, blau, ein klein wenig schräg, mit langen Wimpern wie bei einem Mädchen. Mit einem solchen Gesicht sollte man eigentlich noch Tauben schießen und sich mit Nachbarjungen prügeln! Ganz unmotiviert, als ob da etwas verwechselt worden wäre, folgen nun ein kräftiger Hals, breite Schultern und pralle Muskeln, die bei jeder Bewegung spielen. Er ist ohne Feldbluse. Das mürbe, ausgeblichene Sporthemd kracht unter dem Druck der jungen Muskeln.
    »Wo ist die Feldbluse?« Schirjajew unterdrückt ein Lächeln und fragt streng, auf Kommandeursart.
    »Habe Läuse geknackt, Genosse Bataillonskommandeur, und da kamen diese … die Fritzen. Da ist sie, hinter dem Maschinengewehr.« Verlegen knaupelt er an den Schwielen auf den breiten, rauen Handflächen.
    »Schon gut, verstehst du dich auch auf ein deutsches?«
    »Was? Auf ein deutsches MG?«
    »Natürlich MG. Wir sprechen jetzt von MGs.«
    »Auf ein deutsches … schlechter … aber ich denke, irgendwie …« Er stockt.
    »Tut nichts. Ich kenne mich aus«, sagt Igor, »jemand von den Kommandeuren muß sowieso hierbleiben.«
    Er steht da, die Hände in den Hosentaschen, und wiegt sich leicht hin und her.
    »Ich dachte an Sawrassow. Übrigens gut …« Schirjajew spricht nicht zu Ende und wendet sich an Sedych. »Klar, Freund? Du bleibst hier, zusammen mit dem Oberleutnant. Lasarenko bleibt auch – kampferprobte Burschen, man kann sich auf sie verlassen. Du siehst selbst, nur Filatow ist üb rigge blieben. Ihr werdet unseren Rückzug decken, verstanden?«
    »Jawohl«, antwortet Sedych leise.
    »Wie?«
    »Ich bleibe hier mit dem Oberleutnant zur Deckung.«
    »Dann auf die Plätze.« Schirjajew knöpft den Kragen seiner Feldbluse zu. Es wird recht kühl. »Setz dich hinter dieses Maschinengewehr, nur schlepp es ein wenig näher hierher. Hier, wo der ›Maxim‹ steht, ist es besser. Laß die Leute sich fertigmachen, Sawrassow.«
    Sawrassow geht weg. Ich kann den Blick nicht von seinen Knien losreißen, sie zittern ständig, ein widerwärtiges leichtes Zittern.
    »Bleibt nicht zu lange hier«, sagt Schirjajew zu Igor, »eine Stunde, nicht länger. Und kommt dann nach. Immer genau nach Osten. Nach Kantemirowka.«
    Igor nickt schweigend mit dem Kopf. Er schaukelt von einem Bein aufs andere.
    »Das Maschinengewehr laßt stehen, den Verschluß werft weg, die Patronengurte nehmt mit, falls welche übrigbleiben.«
    Nach fünf Minuten leert sich der Schuppen. Ich und Walega, wir bleiben auch zurück. Schirjajew zieht ab mit vierzehn Soldaten. Vier von ihnen sind verwundet, einer schwer. Man trägt ihn auf einer Zeltbahn.
    Der Regen hat aufgehört. Die Deutschen schweigen. Es stinkt nach sauer gewordenem Hühnerdreck. Wir liegen mit Igor neben dem linken Maschinengewehr. Walega schmaucht sein Pfeifchen. Sedych schaut zum

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