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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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ihn schnell, und genauso schnell humpelt sie zurück, ohne sich umzudrehen.
    5
    Ganz unerwartet treffen wir mit Igor zusammen. Er und Lasarenko, der Stabsmelder, beide zu Pferd, tauchen plötzlich vor uns auf, wie aus dem Boden gestampft. Die Pferde sind schaumbedeckt und schnaufen. Igor ohne Feldmütze, staubgeschwärzt, auf der Wange eine Schramme.
    »Wasser!«
    Er saugt sich förmlich an der Flasche fest, trinkt lange, lange, den Kopf zurückgeworfen, so daß sich der Adamsapfel bewegt. Das Wasser fließt hinter den Kragen und hinterläßt weiße Rinnsale am Hals und am Kinn. Wir fragen nichts.
    »Verbinde die Stute, Lasarenko!«
    Lasarenko führt die Pferde weg. Die große rote Stute, ich glaube, die des Kommissars, hinkt. Eine Kugel hat den linken Hinterfuß verletzt. Das Blut ist geronnen, und Fliegen kleben daran.
    Igor wischt sich mit der Hand die Lippen ab und setzt sich auf den Wegrand.
    »Dreckige Sache«, sagt er kurz, »das Regiment ist nicht da.«
    Wir schweigen.
    »Der Major ist tot … Der Kommissar auch …«
    Igor beißt sich auf die Unterlippe. Seine Lippen sind ganz schwarz vor Staub, trocken und rissig.
    »Wo sich das zweite Bataillon befindet, ist zur Zeit unbekannt … Vom dritten ist nichts übriggeblieben. Keine Artillerie mehr. Nur noch ein Fünfundvierzig-Millimeter-Geschütz, und auch dieses mit einem beschädigten Rad … Gebt mir was zu rauchen, ich habe mein Zigarettenetui verloren.«
    Wir rauchen alle drei. Da kein Zeitungspapier vorhanden ist, reißen wir Blättchen aus einem Notizbuch heraus.
    »Maximow vertritt jetzt den Regimentskommandeur. Er ist auch verwundet. Eine Fleischwunde an der linken Hand. Hat befohlen, Sie aufzufinden und abzuschwenken.«
    »Wohin?«
    »Wer weiß jetzt, wohin? Habt ihr eine Karte? Ich habe nichts behalten, weder Karte noch Hülle noch einen Melder. Ich mußte Lasarenko mit mir nehmen …«
    »Ist Afonjka auch tot?«
    »Verwundet. Vielleicht auch schon gestorben. Bauchschuß … Ich habe ihn zum Verbandplatz geschickt, aber der ist auch zerstört.«
    »Der Verbandplatz auch?«
    »Der Verbandplatz, die Nachrichtenkompanie der Division sowie alle rückwärtigen Dienste … Gebt mir Wasser!«
    Er nimmt ein paar Schluck und spült den Mund. In diesem Augenblick fällt mir auf, daß er in den letzten zwei Tagen stark abgemagert ist. Seine Wangen sind eingefallen, die Zigeuneraugen glänzen, das krause Haar klebt auf der Stirn.
    »Kurz gesagt, das Regiment hat jetzt an hundert Mann, nicht mehr. Genauer gesagt, als ich fortritt, waren es hundert Mann, und zwar alles in allem, mit Lagerverwaltern und Köchen. Deine Pioniere sind bis jetzt heil. Ich glaube, nur einer ist verwundet. Hast du Feuer?«
    Er raucht an, meine Zigarette mit den Fingern festhaltend. Tief zieht er den Rauch ein und stößt ihn in dicken, starken Schwaden wieder aus.
    »Maximow hat im übrigen folgendes befohlen: Euch aufsuchen und zu ihm führen.«
    Schirjajew zieht die Karte vor.
    »Sich mit ihm vereinigen? Wo?«
    »Wir haben die Verbindung mit dem Divisionsstab verloren.« Igor kratzt sich mit der Zigarettenspitze am Hinterkopf. »Maximow hat selbst den Entschluß gefaßt. Anscheinend ist der Divisionsstab von uns abgeschnitten. Sein letzter Standort befand sich etwa fünfundzwanzig Kilometer von Nowo-Belenkaja entfernt. Aber bis Nowo-Belenkaja sind wir nicht herangekommen.«
    »Und wo sind jetzt die Deutschen?«
    »Die Deutschen? Fressen etwa zehn bis zwölf Kilometer von hier entfernt Rührei und saufen Schnaps dazu.«
    »Sind’s viele?«
    »Es langt! Wir haben etwa vierzig LKW gezählt, lauter dreiachsige Fünftonner. Rechne sechzehn Mann pro Stück, macht schon sechshundertfünfzig.«
    »Und wohin bewegen sie sich?«
    »Haben sie mir nicht gesagt. Von da gibt es zwei Wege. Einer führt hierher, der andere, eine Landstraße, südwärts.«
    »Wohin sollen wir gehen? Was hat Maximow befohlen?«
    Igor zeigt mit dem Finger auf die Karte. »Nach Kantemirowka, genauer: bis zum Dorf Chutorka, und falls wir sie da nicht antreffen sollten, scharf nach Süden, nach Starobelsk.«
    Wir marschieren weiter, biegen vom Hauptweg ab, gehen auf Feldwegen. Ringsum, so weit das Auge reicht, Kornfelder. Die Ähren biegen sich unter der Last der Körner. Die Soldaten reißen die Ähren ab, reiben sie zwischen den Handflächen und kauen die reifen, goldenen Körner. Hoch am Himmel singen Lerchen. Wir marschieren nur in Sporthemden, da es uns in den Feldblusen zu heiß ist.
    Es stellt sich heraus, daß sich

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