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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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grauen Augen nimmt die Feldmütze ab und legt sie auf den Tisch.
    »Mein Name ist Abrossimow. Ich bin der Stabschef des Regiments.«
    Ich stehe auf.
    »Bleiben Sie sitzen.« Er geht plötzlich zum »Sie« über. »Sind Sie Leutnant Kershenzew? Der neue Ingenieur an Zigejkins Stelle – so habe ich aus Ihrer Meldung verstanden.«
    »Ja.«
    Er fährt sich mit der Hand übers Gesicht, über die Augen und starrt einige Zeit, ohne zu zwinkern, auf den qualmenden Docht. Man sieht, er ist genauso todmüde wie wir.
    Ich erstatte Meldung. Er hört aufmerksam zu, ohne zu unterbrechen, und bohrt mit dem Nagel auf dem Tisch.
    »Sie sagen also, daß Petrow gefallen ist?«
    »Ja. Muß ein Scharfschütze gewesen sein. Mitten in die Stirn.«
    »So …« Er nagt mit den unteren Zähnen an der Oberlippe.
    »Die Verluste sind überhaupt ziemlich hoch. Fünfundzwanzig Tote. Verwundete etwa fünfzig. Ein Maschinengewehr beschädigt – ein Splitter hat den Lauf durchschlagen.«
    »Wer sind die Nachbarn?«
    »Links das zweite Bataillon unseres Regiments, rechts …«
    Ich denke nach. Farber hatte es mir gesagt, aber es ist mir entfallen.
    »Rechts das fünfundvierzigste, Genosse Hauptmann«, fällt Tschumak ein. Er steht auch hier, neben uns, die Hände in den Hosentaschen. »Ein Vertreter von ihnen ist hier gewesen. Wir haben mit ihm die Anschlußstelle festgelegt.« »Das fünfundvierzigste Regiment …«, sagt nachdenklich Abrossimow, steht auf und knöpft sich die Jacke zu. »Nun denn, Kershenzew … komm, wir wollen die Stellung besichtigen, und dann … dann wirst du wohl das Bataillon übernehmen müssen.«
    Er sieht mich durchdringend an, als ob er mich abschätzen möchte. Knöpft die Jacke zu. Die Knöpfe sind groß und gehen kaum durch die Knopflöcher.
    »Klischenzew, der Bataillonskommandeur, ist gefallen.
    Eine Bombe. Volltreffer. Sie werden vorübergehend das Bataillon kommandieren müssen. Nichts zu machen …« Und zu Tschumak gewandt: »Den Chemiker hat man ans andere Ufer hinübergeschafft. Ihm ist ein Fuß abgerissen worden.
    Nun komm, Ingenieur, oder richtiger, Bataillonskommandeur …«
    Erst als wir hinausgehen, merke ich, daß sich in der Ecke die Telefonisten zu schaffen machen – zwei, mit goldenen, aus Konservenbüchsenblech ausgeschnittenen Sternchen auf den Feldmützen.
    Wir gehen nach oben. Am Eingang steht ein Wachposten.
    Ich kenne ihn schon. Sein Name ist Kalabin. Er hat einen großen Leberfleck auf der Wange und ist ein guter Schütze.
    Hat vor meinen Augen vier umgelegt. Er stammt aus Kostroma, und seine Frau zu Hause erwartet ein Kind. Draußen ist es kühl. Ich atme mit voller Brust die frische Nachtluft ein. Der Himmel ist klar und voller Sterne. Der Große Bär steht über dem Mamai-Hügel. Über meinem Kopf rattert monoton wie ein Motorrad ein »Kukurusnik« 5 . Als ob er nicht vom Fleck käme. Sobald das Auge sich an die Dunkelheit gewöhnt hat, erkenne ich die Umrisse. Er fliegt zum Mamai-Hügel. Rechts, wahrscheinlich über dem »Roten Oktober«, hängen Leuchtkugeln – an zehn Stück. Wie goldener Regen fallen sie herab. Kein Schuß. Stille.
    Wir gehen den Laufgraben entlang. In Mäntel gehüllte Gestalten. Gewehre auf der Brustwehr. Der »Kukurusnik« wirft Bomben hinter dem Mamai-Hügel ab; man sieht das Aufleuchten. Deutsche Scheinwerfer tasten den Himmel ab. Die abgeschossenen Panzer – es sind während des Tages also doch drei Stück in Brand geschossen worden – brennen noch alle, und ekelhafter, beißender Rauch breitet sich über unseren Gräben aus. Der Wind weht ihn her.
    Ich verabschiede mich vom Hauptmann an unserer linken Flanke, an dem Durchbruch in der Wand. Hier beginnt das zweite Bataillon.
    »Nun sieh zu, Bataillonskommandeur, daß alles klappt. Morgen wird’s wieder drunter und drüber gehen … Werden dir Patronen schicken. Gegen Morgen werden Kanonen da sein. Dann wird es lustiger.«
    Er entfernt sich mit seinem Melder in Richtung auf die halbzerstörten Gebäude. Dort ist anscheinend der Gefechtsstand des Nachbars.
    Eine Zeitlang sind sie noch zu sehen, wie sie über das Eisen klettern. Dann verschwinden sie.
    Ich stütze mich auf die Brustwehr und blicke in die Richtung, wo die Deutschen sind. Dort ist es still und dunkel. Nur an einer Stelle so etwas wie ein Flämmchen. Es glüht auf und verlischt. Ein unvorsichtiger Beobachter, der raucht. Vielleicht glimmt da auch etwas …
    Wie still es ist …
    Und morgen wird’s wieder drunter und drüber gehen. Flieger,

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