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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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Geschrei, Geknatter …
    Heute haben wir uns gehalten. Nur an einer Stelle sind wir von den Deutschen etwas zurückgedrängt worden – bei Farber, auf der rechten Flanke. Etwa vierzig Meter. Ich werde den hakennasigen Leutnant mit seinem Zug da hinüberschicken. Ramow, glaube ich, ist sein Name. Scheint ein braver Bursche zu sein, hat mir heute gefallen. Und gegen drei Uhr werden wir einen Gegenangriff unternehmen …
    Ich gehe in den Keller.
    Am Häuschen steht schon ein anderer Wachposten – ein kleiner, mit einer Zeltbahn, die am Boden schleift. Ihn kenne ich nicht.
    Der Telefonist schimpft ins Telefon.
    »›Marmor‹! Hier – ›Granit‹. Hörst du mich gut? ›Marmor‹, ›Marmor‹! Der Hundesohn ist wieder rauchen gegangen. ›Marmor‹! ›Marmor‹!«
    In der Ecke blinkt gelb das Stroh; Walega hat natürlich dafür gesorgt. Werde mich gleich hinhauen. Zwei Stunden, zwei ganze Stunden werde ich schlafen … Wie ein Toter.
    »Um zwei Uhr weckst du mich, Walega … Um Viertel drei …«
    Die Antwort höre ich nicht mehr. Ich schlafe schon, den Kopf in jemandes warmen, nach Schweiß riechenden Bauch gedrückt.
    ----
    1 Pelmeni – mit Fleisch gefüllte Klößchen.
    2 Politruk – der politische Funktionär in einer Kompanie, bis 1942.
    3 Wareniki – kleine gekochte, mit Quark gefüllte Klöße.
    4 Borschtsch – ukrainisches Nationalgericht: Gemüsesuppe, vorwiegend aus roten Rüben.
    5 »Kukurusnik« – soviel wie »Maiswächter«. Spöttische Bezeichnung für den im Text beschriebenen Flugzeugtyp.

ZWEITER TEIL
    1
    Ich kann mich nicht erinnern, je einen solchen Herbst erlebt zu haben.
    Der September ist gekommen – ein klarer, blauer, mit Maiwärme, mit bezaubernden Morgenstimmungen und stimmungsvollen violetten Sonnenuntergängen. Am Morgen plätschern die Fische in der Wolga, und große Kreise breiten sich aus auf der spiegelnden Oberfläche des Flusses. Hoch am Himmel fliegen klappernd verspätete Kraniche. Das linke Ufer verwandelt sich von Grün in Gelb und dann in Rotgold. Im Morgengrauen, vor den ersten Salven unserer Artillerie, ist es verhangen von durchsichtigem Frühnebel, ist es sorglos, ruhig und weit, mit kaum erkennbaren Waldstreifen in weiter Ferne – zart und duftig wie ein Aquarell.
    Langsam und unwillig zerteilt sich der Nebel. Einige Zeit hält er sich noch, gleich einem erstarrten, milchfarbenen Schleier, über dem Fluß, dann verschwindet er, löst sich auf in der durchsichtigen Morgenluft.
    Lange vor den ersten Sonnenstrahlen schießt das erste Ferngeschütz. Schallend rollt das Echo über der noch nicht erwachten Wolga. Dann schießt das zweite Geschütz, das dritte, das vierte, und endlich fließt alles zusammen in ein ununterbrochenes feierliches Dröhnen der Morgenkanonade.
    So fängt der Tag an. Und mit ihm …
    Punkt sieben erscheint, unendlich hoch, mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen, der »Rahmen«, und in den schrägen Morgenstrahlen blinken die Fensterscheiben seiner Kabine. Lange und sorgfältig kreist er über uns, aufdringlich brummend – sein ganz eigentümliches, ständig aussetzendes Motorengeräusch ist uns allen gut bekannt –, und fliegt langsam westwärts ab, wie ein phantastischer doppelschwänziger Fisch.
    Das ist die Einleitung.
    Hinter ihm kommen die Stukas – bei uns »Sänger« oder »Musikanten« genannt –, rotnasig, krummbeinig, gleichen sie Raubvögeln, die sich anschicken, etwas zu greifen. Seitwärts geneigt, fliegen sie in einer Kette am goldenen Herbsthimmel zwischen den Wattewölkchen der explodierenden Flakgeschosse.
    Kaum haben wir uns die Augen gerieben, kriechen wir, hustend noch von der ersten Morgenzigarette, aus unseren Unterständen hervor und verfolgen mit zusammengekniffenen Augen die ersten zehn. Sie bestimmen den ganzen Tag.
    Durch sie erfahren wir, welches das Quadrat ist, wo nach dem Stundenplan der Deutschen die Erde heute beben wird wie Sülze, wo die Sonne nicht zu sehen sein wird vor Rauch und Staub, in welchem Abschnitt man die ganze Nacht Tote begraben, beschädigte Maschinengewehre und Kanonen reparieren, neue Gräben und Unterstände graben wird. Wenn die Kette über uns hinwegfliegt, atmen wir erleichtert auf, werfen die Hemden ab und gießen aus dem Eßgeschirr einander Wasser auf die Hände.
    Wenn jedoch der erste, ohne uns erreicht zu haben, anfängt, sich auf den rechten Flügel zu neigen, verstecken wir uns in unseren Gräben, schimpfen und blicken auf die Uhr:
    Herrgott im Himmel, bis zum Abend sind es noch

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