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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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schießen«, sagt Lissagor, nimmt aus der Tasche ein Zahnpulverkästchen mit Tabak und dreht sich eine Zigarette.
    Etwa zwei Minuten später steigt neben dem Boot eine weiße Wasserfontäne hoch wie ein Geiser.
    »Wunderliche Käuze, rudern stur geradeaus«, sagt Lissagor, klebt dabei sorgfältig die Zigarette zu und schüttet den auf der Handfläche verstreuten Machorka wieder ins Kästchen. »Sie kommen nur von Kräften und erleichtern den Deutschen die Arbeit. Wenn sie stromabwärts schwimmen würden, so müßten die Deutschen ständig die Zielrichtung ändern.«
    »Stromabwärts schwimmen – hieße, zu den Fritzen gelangen«, sagt jemand hinter meinem Rücken.
    Die Pioniere, auf ihre Spaten gestützt, verfolgen das Boot mit ihren Blicken. Die Fontänen werden immer zahlreicher. Das Boot schlägt wild mit den Rudern.
    »Schlechter Granatwerfer«, erklärt kompetent ein magerer, schmalbrüstiger Soldat, der neben mir steht. »Gestern hat er beim dritten Male das Boot in Stücke geschlagen.«
    »Gestern war das Boot ja auch fünfmal so groß«, antwortet ein anderer in heiserem, gedehntem Baß, »und hatte einen Berg geladen, daß es kaum vorwärts kam.«
    Eine Mine explodiert ziemlich dicht am Boot. Es hüpft auf den Wellen, und für einige Sekunden setzt der Ruderschlag aus.
    »Gleich wird das Maschinengewehr anfangen«, sagt ruhig Lissagor, zieht an seiner Zigarette und bläst Rauchringe in die Luft. Da kannst du Gift drauf nehmen – gleich wird es losknattern.«
    Und fast im gleichen Augenblick schießt rings um das Boot eine ganze Serie kleiner, manchmal ineinanderfließender Fontänen empor.
    Alle ringsherum werden still. Die im Boot hören auf, mit den Rudern zu schlagen.
    »Solche Schweinehunde!« ruft jemand hinter meinem Rücken. »Sie werden ihm den Rest geben …«
    Am Ufer und rings um uns verfolgen fast alle das Boot.
    Die Ruder blitzen wieder auf, aber nicht mehr vier, sondern nur noch zwei. Anscheinend ist einer der Insassen verwundet oder getötet worden.
    Die Schaluppe hat schon die Mitte des Flusses erreicht.
    Sie befindet sich jetzt uns gerade gegenüber. Der Granatwerfer fängt wieder an.
    »Noch fünfzig Meter, dann sind sie für die Fritzen nicht mehr sichtbar.«
    »Schneller, schneller, Jungs!«
    Die Dichte der Explosionen erreicht ihren Höhepunkt.
    Es ist einfach unbegreiflich, daß das Boot noch heil ist. Es wird freilich rasch vorwärts getrieben, und die Fontänen bleiben immer wieder zurück.
    Jemand schreit am Ufer aus vollem Halse:
    »Los, los, los!«
    Auf einmal verschwinden wie auf Kommando die Fontänen. Zwei oder drei Granaten klatschen noch ins Wasser, aber das Boot ist schon weit von ihnen entfernt. Die Soldaten gehen auseinander, schimpfen gutmütig und zufrieden.
    Lissagor wirft seine Kippe weg.
    »So wird uns Essen und Munition gebracht. Hast du gesehen? Und ihr in der vordersten Linie – bringt Patronen, Patronen!«
    Ich erfahre, daß für das ganze rechte Ufer nur eine Überfahrtstelle funktioniert – die der Zweiundsechzigsten –, zwei Kutter mit Kähnen. In einer Nacht schaffen sie sechs, mit höchster Anstrengung sieben Überfahrten. Und was bedeutet das schon für die acht oder zehn Divisionen, die an diesem Ufer liegen? Wie ein Tropfen im Meer … Man ist gezwungen, mit eigenen Mitteln heranzuschaffen. »In unserem Regiment gibt es eine ganze Flottille«, sagt Lissagor, »fünf Schaluppen, drei Flachboote und einen Ponton. Ursprünglich waren es fünfzehn, aber sie sind nicht mehr gebrauchsfähig, alt, von Splittern durchlöchert, lecken.
    Der Ponton ist wie ein Sieb. Drei von meinen Leuten haben ständig alle Hände voll zu tun, um ihn zu reparieren.« Er blickt mich von der Seite an. »Und da sagst du: Minen legen!
    Heute nacht muß ich noch Leute zum fünfundvierzigsten Regiment schicken. Gestern hat man bei uns zwei Schaluppen gemaust. Ach, es hängt einem schon zum Halse raus …
    Komm zu mir! …«
    Auf allen vieren kriechen wir in Lissagors winzigen Unterstand, der so groß ist wie eine Hundehütte.
    »Schau, wie wir leben. Schuster – ohne Schuhe … Habe ihn mir selbst ausgeschachtet …«
    Ein schräger Sonnenstrahl dringt als schmaler Pfeil auf einen Mantel, der in der Ecke hängt, beleuchtet die verruß
    ten Eßgeschirre, Konservenbüchsen und die mit einer Reißzwecke an der Wand befestigte Fotografie eines üppigen Mädchens im Barett.
    Auf einmal taucht auf dem Tischchen, das wie in einem Eisenbahnabteil an der Wand befestigt ist, eine Flasche

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