Stalingrad
ausführen. Die sind wie kleine Kinder … Beziehen sie eine Stellung – gleich heißt es: Pioniere, Minen legen! Beim Angriff –
Pioniere, Minen räumen! Bei Spähtruppunternehmen – Pioniere voran, Minen suchen! … Der Teufel hol’s! …« »Wie du willst. Vorläufig bist du noch Ingenieur. Entscheide selbst, was besser ist. Bleib gesund!«
»Auf Wiedersehen … Nimm ein paar Vitamine mit auf den Weg!«
Er steckt mir zwei kalte, rauhe, leuchtende Apfelsinen in die Jackentasche.
»Also, ich erwarte dich in den nächsten Tagen. Werde dich mit Klawa bekannt machen.« Er lacht ein kurzes, lockeres Lachen.
4
In der Nacht wechseln wir die Stellungen. Ich beeile mich, alles bis zwölf Uhr zu beenden, bis zum Mondaufgang. Aber die Deutschen stecken zwei Scheunen an, und mein ganzer Abschnitt ist taghell erleuchtet. Das zieht den Stellungswechsel fast über die ganze Nacht hin. Das Maschinengewehr unter der Brücke schießt beinahe pausenlos. Ich fühle, daß dieses Maschinengewehr mir noch viel Sorge bereiten wird. Es macht alle meine Pläne zunichte. Gegen Morgen erscheint auch noch eine Kanone dort. Ich habe nichts, womit ich antworten könnte. Die Patronen reichen kaum für den Tag. So ziehen wir denn hinüber unter Deckung der Kompaniegranatwerfer. Für den Zweiundachtzig-Millimeter Granatwerfer habe ich keine Munition. Ich bitte um Unterstützung bei unserer Regimentsartillerie, aber bei ihnen ist die Munition auch knapp, sie schießen nur dreimal während der ganzen Nacht.
Der Abschnitt ist abscheulich. Er wird von einem hohen Eisenbahndamm durchschnitten. Dieser Damm, der sich am Fuße des Hügels hinschlängelt, ist voller Eisenbahnwaggons. Von der linken Flanke aus ist die rechte kaum sichtbar – nur der obere Teil der Schlucht. Keine Schutzgräben, keine Laufgräben – nichts. Die Soldaten des ersten Bataillons, die uns den Platz überlassen, hausen in Löchern und Trichtern, die mit Eisen aller Art zugedeckt sind. Längs der Schlucht, auf der anderen Seite des Bahndammes, gibt es jedoch so etwas wie Gräben, allerdings ohne die geringste Spur von Verbindungsgängen.
Ja, das ist eben nicht »Metis«. Dort konnte man von einem Ende bis zum anderen durchgehen, ohne sich bücken zu müssen. Der Abschnitt ist an und für sich nicht zu groß für ein normales Bataillon, etwa sechshundert Meter, aber ich habe nur sechsunddreißig Leute. Vierhundert sind es gewesen, und geblieben sind nur sechsunddreißig.
Ich suche mir einen Gefechtsstand, und wenn es nur ein vorläufiger ist, um das Telefon aufzustellen. Alles Trümmer, abgebrannte Scheunen, keine Keller. Walega hilft. Er findet ein Rohr unter dem Damm. Gut getarnt, aus Eisenbeton. Aber im Rohr sitzen schon Artilleristen.
Ein hochgeschossener Leutnant mit einem kleinen Bärtchen, dessen Haare nach allen Seiten auseinanderstehen, empfängt mich geharnischt:
»Ich lasse niemanden rein, und damit Schluß … Wir sind ohnehin schon fünf Mann. Und du schleppst noch einen ganzen Stab mit.«
Aber ich bin zu diplomatischen Verhandlungen nicht aufgelegt. Ich lasse das Telefon aufstellen, und dem Ersten Adjutanten befehle ich, eine Meldung zu schreiben. Die Artilleristen schimpfen, wollen ihre Kästen nicht beiseite schieben, drohen, daß sie sich bei Posharskij, dem Chef der Artillerie, beschweren werden. Ich kenne Posharskij nicht.
»Burschen, richtet euch ein und basta … Rührt euch nicht vom Fleck, bis ich es sage.«
Die Telefonisten brauchen nichts mehr. Sie haben den Draht schon gezogen, lassen sich direkt auf dem Steinboden nieder und rufen schon nach »Vergißmeinnicht« und »Tulpe«.
Der Erste Adjutant, Charlamow, der immer alles verliert, hat natürlich die notwendige Mappe verlegt und stört nun alle, indem er – kurzsichtig wie er ist – zwischen unseren Beinen herumkriecht.
»Ich muß sie in dem alten Gefechtsstand vergessen haben«, brummt er vor sich hin und blickt sich nach allen Seiten um. Dieser Mensch hat einen sonderbaren Hang, immer und überall etwas zu vergessen. Seit wir bekannt sind, hat er es fertiggebracht, einen Mantel, drei Helme und die eigene Brieftasche zu verlieren. Von Bleistiften und Federhaltern ganz zu schweigen.
Gegen fünf Uhr kommen die Kompanieführer.
»Nun, wie steht’s?« frage ich.
Karnauchow, Kompanieführer der vierten Kompanie an Stelle des gefallenen Petrow, zuckt seine gewaltigen Schultern.
»Habe sie vorläufig verteilt. Mit Maschinengewehren geht es noch, aber die Soldaten … Tagsüber werden
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