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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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Wodka auf. Wir stoßen an, Becher gegen Flasche. »Wir in der vordersten Stellung haben ein einziges Mal Wodka bekommen«, sage ich.
    Lissagor grinst und reibt sich mit der Hand das unrasierte Kinn.
    »Bis zur Frontlinie sind es anderthalb Kilometer, und ich habe das Lager nebenan. Außerdem sind unter meinen Soldaten fünf Nichttrinker.« Er blinzelt mir zu. »Überhaupt, sieh zu, daß du recht schnell loskommst von deinem Bataillon, und widme dich dem Ingenieurdienst. Wirst sehen, wie wir leben. Bei mir wirst du schon nicht untergehen. Unsern Major kenne ich in- und auswendig. Verstehe jede Andeutung von ihm. Ein feiner Alter. Manchmal braust er auf, das ist wahr, aber nach einer halben Stunde hat er alles vergessen. Er liebt nur gute Unterstände. Das ist seine Schwäche. Am liebsten möchte er noch Teppiche haben. Aber sonst läßt sich’s leben. Magst du noch?«
    Er langt noch ein Viertelliter vor.
    »Sobald ich diesen Tunnel fertig habe, fange ich einen für mich an. So geht’s doch nicht! Die Leute schlafen direkt am Ufer, und in einem Monat ist es Winter. Wenn du wiederkommst, wirst du staunen, was hier für Prachtsäle sein werden. Wirst dir die Finger danach lecken …«
    Ich blicke auf die Uhr, die an der Wand hängt, mit einem Schloß an Stelle der Gewichte.
    »Geht sie richtig?«
    »Ganz richtig. Aber nur keine Eile, Genosse Leutnant … Wirst noch Zeit genug haben, die Vorderste zu genießen.« Er patscht mir auf das Knie. »Bist doch nicht beleidigt, daß ich dich mit du anrede. Eine Frontgewohnheit. Ich bin sogar mit Abrossimow auf du, und er ist Hauptmann. Übrigens« – Lissagor senkt die Stimme, beugt sich zu mir her über und atmet mir direkt ins Gesicht – »ein gefährlicher Bursche. Schont keine Menschen. Äußerlich ruhig, und in Wirklichkeit kochendes Wasser. Verliert vollkommen den Kopf, tobt und sagt seine Meinung geradeheraus. Aber gib nicht nach. Versteh dich zu behaupten.«
    Er wirft sich zurück, streckt die Beine aus und knackt mit den Fingern. Der Reihe nach mit jedem einzelnen. Ich stelle einige spezielle Fragen. Er antwortet, ohne zu stocken, lacht. Seine beiden Vorderzähne sind abgebrochen. »Kontrollierst du? Ja? Nun, ich verstehe mich darauf, bin aktiver Offizier. Chalchingol, Finnland … Ach, Leutnant, Leutnant, du kennst mich noch nicht. Komm nur recht bald zu uns ans Ufer, wirst sehn, wie man mit mir leben kann. Magst du eine Apfelsine? Ich habe einen ganzen Kasten voll.
    Und Gebäck auch … Alles, was du willst, ist da.« Ich unterbreche ihn:
    »Wieviel Leute, sagst du, sind in deinem Zug?« »Bei mir? Achtzehn, ich bin der neunzehnte. Einer tüchtiger als der andre. Zimmerleute, Tischler, Ofensetzer. Sogar ein Schneider und ein Friseur. Und einen Schuster habe ich – so einen findest du in ganz Moskau nicht. Hier die Stiefel, die ich anhabe – was sagst du dazu? Hacke, Spitze, Spann … eine Augenweide. Ein Uhrmacher ist auch da. Der da, der Sergeant mit dem Schnurrbart. Auch ein Kunsttischler …«
    »Und verstehen sie sich auf Minen?«
    »Auf Minen auch, natürlich, was denkst du? Doch im übrigen ist das nicht unsere Sache. Gefechtsstände, Befehlsstellen – das geht uns an, aber Minen mag das Bataillon legen. Was den Zug betrifft – nun gottlob, ich kann nicht klagen. Wenn du hier arbeitest, wirst du’s ja selbst sehen. Habe sie mir selber bei der Aufstellung ausgesucht. Du wirst keinen zweiten solchen Zug in der Armee finden, Ehrenwort!« Ich stehe auf.
    »Also, ich erwarte morgen deine Leute.«
    Lissagor erhebt sich ebenfalls, leicht schwankend. »Du bist aber eigensinnig, Leutnant. Wozu diese Minenfelder? Deine eigenen Leute werden nur darauf geraten …
    Nun, schon gut, ich werde sie dir schicken.«
    »Es wäre nicht schlecht, wenn du selber mal reingucken würdest.«
    »Das verspreche ich nicht. Verspreche ich nicht. Siehst
    ja, wieviel Arbeit ich habe. Tunnel, Boote … heute muß
    ich noch die Minen in Empfang nehmen. Ich werde den stellvertretenden Zugführer Garkuscha schicken. Ein Prachtkerl. Mit geschlossenen Augen wird er dir die Minen le
    gen.«
    »Für mich ist’s nicht nötig, aber das erste und das dritte Bataillon haben keine Pioniere …«
    Lissagor hält sich mit den Händen am Tisch fest und blickt mich mit seinen schon ein wenig glasigen Augen einige Sekunden an.
    »Weißt du, was ich dir sagen werde, Genosse Leutnant?
    … Die Bataillonskommandeure haben Köpfe … sollen sie damit auch denken. Meine Aufgabe ist klein: Befehle

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