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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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zwei Telefonisten, vier MG-Schützen – zwei für jedes Maschinengewehr – und ein Gemeiner: der Sibirier, mit dem ich im Graben saß. Ihm ist der kleine Finger der rechten Hand zerschossen worden, aber er hält sich wacker. Außerdem noch drei Verwundete. Der phantasiert hat, stirbt gegen Abend. Wir tragen ihn in den Laufgraben hinaus. Dort legen wir alle Toten hin.
    Wir haben vier Maschinengewehre. Zwei sind kaputt. Für die deutschen Maschinengewehre ist genügend Munition vorhanden, für die eigenen wird sie mit Mühe und Not bis Mittag reichen.
    Die Hauptsache aber ist Wasser. Ohne Wasser sind alle diese Patronen keinen Groschen wert. Sollten wirklich die Unseren diese Nacht nicht zu einer Vereinigung mit uns kommen? Es kann nicht sein, daß sie nicht kommen. Sie müssen doch wissen, daß wir nicht imstande sind, uns hier ewig zu halten. Und wenn wir alle fallen, dann kann man über diese Anhöhe ein Kreuz machen.
    Vor Verlangen zu rauchen wird einem ganz schwindlig. Walega findet bei einem toten Deutschen eine feuchte, zerdrückte Zigarette. Wir rauchen sie der Reihe nach, tun tiefe Züge, schließen die Augen, verbrennen uns dabei die Finger. Nach etwa zwei Stunden sehnen wir uns genauso nach Wasser. Im Thermos sind nur noch zwei Liter. Eiserne Ration für die Maschinengewehre.
    Die Telefonisten ziehen aus dem Innern des Unterstandes zwölf appetitliche fette Heringe hervor, in Pergament eingewickelt. Unwillkürlich schlucke ich den Speichel hinunter. Silbrige, glatte, mit weichen Rücken und kleinen, wie Tau aussehenden Fetttropfen am Kopfe. Es gelüstet einen, mit den Zähnen hineinzubeißen. Ich krieche in den Laufgraben hinaus und schleudre sie fort, so weit wie möglich, in Richtung der Deutschen. Kehre dann zurück.
    Die Verwundeten sind still geworden, atmen nur schwer, sie liegen direkt auf der Erde. Wir haben ihnen Mäntel unter gelegt. Dieser Unterstand ist weit weniger komfortabel. Ein aus Brettern roh zusammengezimmerter, mit einer Zeitung bedeckter Tisch – das ist alles. Auf dem Hintergrund der feuchten, abbröckelnden Wand nimmt sich unsere Lampe mit dem grünen Schirm recht dumm aus. Wir haben sie her übergebracht aus dem anderen Unterstand. Unverständlich, wie sie heil geblieben ist.
    Karnauchow zeichnet mit einem Bleistiftstummel Blumen auf den Zeitungsrand. Er ist abgemagert, und unter seinen Augen sind große schwarze Ringe. Tschumak hat das Hemd abgeworfen und untersucht die Nähte.
    »Gut wäre es, zu baden«, sagt er müde und kratzt sich.
    »Wenn wir uns vereinigt haben, werde ich eine Badegelegenheit einrichten. Wir werden nachts aus der Wolga Wasser holen und dann baden. Am ganzen Körper juckt es einen.«
    »Bis der Krieg zu Ende ist, wirst du sie sowieso nicht los«, beruhigt ihn Karnauchow, »da wir die Wäsche nicht kochen.
    Das bißchen Auswaschen in der Wolga, was hat das schon für einen Sinn.«
    Ich beobachte Tschumaks Muskeln, die unter der gespannten Haut wie Bällchen springen. Man kann an ihm gut Anatomie studieren.
    Tschumak steht auf.
    »Ach, wär es schön, wenn man was zu rauchen hätte …« Karnauchow seufzt.
    »Ja … das wäre nicht schlecht. Und wenn es bloß eine ›Motor‹ für fünfunddreißig Kopeken wäre. Eine für uns drei.«
    »›Motor‹ … Was heißt hier ›Motor‹! Wenn man sich schon was wünscht, dann was Ordentliches …«
    »Was haben Sie vor dem Kriege geraucht, Genosse Leutnant?«
    »›Belomor‹ … und ›Trud‹. Die gab es in Kiew, kosteten zwei Rubel.«
    »Ich auch ›Belomor‹, gute, dicke. Besonders die aus Leningrad.«
    »Was versteht ihr denn von Zigaretten?« sagt Tschumak.
    »Träumen von ›Belomor‹ … ›Kasbek‹, das sind Zigaretten.
    Ich habe täglich zwei Packungen geraucht … Waren das Zeiten!«
    Er geht auf und ab im Unterstand. Zwei Schritte hin, zwei Schritte zurück. Reckt sich, die Hände hinter dem Kopf. »Ziehst dir Charliehosen an, fünfunddreißig Zentimeter breit, die Mütze schief in der Stirn, ein Mädchen am Arm …« – er wölbt die Brust und hakt Karnauchow unter –, »und gehst auf die Strandpromenade.«
    Karnauchow stößt ihn weg.
    »Was warst du vor dem Kriege?«
    »Ich? Chauffeur. Habe einen ›Sis‹ gefahren. Später meine Zeit auf der ›Roten Ukraine‹ abgedient … Reibst dir die Schnalle blank mit Kreide, den Kragen glattgebügelt, weiße Hosen mit Keilen – und ab in die Stadt.«
    »Hast du vor dem Kriege an etwas anderes als an Mädchen gedacht? He, Tschumak?«
    Tschumak scheint

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