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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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trinken jeder ein halbes Glas, mit kleinen Schlucken, um den Genuß in die Länge zu ziehen, spülen uns den Mund. Dann legen wir uns schlafen.
    Ich träume vom Schwarzen Meer. Tauche vom Felsen in das durchsichtige, von Sonnenstrahlen zitternde Wasser. Und ringsherum sind Quallen, große und kleine, wie Schirme.
    15
    Den Unseren gelingt der Angriff nicht. Wir stehen in den Laufgräben und verfolgen die Schießerei. Die Deutschen streuen ohne Unterbrechung aus Maschinengewehren. Die Salven stoßen zusammen, überschneiden sich, fliegen hoch in den Himmel. Mal hier, mal auf der anderen Seite der Schlucht flammen Granatwerfer auf, dann verstummen auch sie. Es bleibt nur das methodische Feuer der Wachhabenden. Wir kehren in den Unterstand zurück.
    Bis zum Morgen schlafen wir nicht mehr. Ein Gespräch kommt nicht in Gang. Der Mangel an Tabak macht uns alle gereizt. Die Verwundeten bitten ständig um etwas zu trinken. Gegen Morgen stirbt noch einer.
    Gegen sieben Uhr kommt der »Rahmen« angeflogen. Brummt, brummt ohne Ende, blinkt beim Drehen mit den Fenstern. Dann gehen die Deutschen zum Angriff über, ohne jede Vorbereitung.
    Wir verteidigen uns mit vier Maschinengewehren. An zwei Maschinengewehren MG-Schützen, an den beiden anderen Tschumak mit Karnauchow und ich mit Walega. Die Telefonisten halten mit dem Alten die Flanke.
    Die Sonne haben wir im Rücken. Man kann gut schießen. Dann folgt der Beschuß. Wir nehmen die Maschinengewehre herunter und hocken uns hin. Die Splitter fliegen über unsere Köpfe.
    Ich merke erst jetzt, wie abgemagert Walega ist. Seine Wangen sind ganz eingefallen und haben sich mit einer Flechte bedeckt. Die Augen sind groß und ernst. Wie er so dahockt, berühren seine Knie fast die Ohren.
    Eine Granate explodiert im Gang, wenige Schritte von uns entfernt.
    »Schweinehunde!« sagt Walega.
    »Schweinehunde!« sage ich.
    Der Beschuß dauert etwa zwanzig Minuten. Das ist sehr anstrengend. Dann stellen wir das Maschinengewehr auf die Plattform und warten. Tschumak winkt mit der Hand. Ich sehe nur seinen Kopf und seine Hand.
    »Die zwei linken sind getroffen!« schreit er.
    Uns bleiben noch drei Maschinengewehre.
    Wir wehren noch einen Angriff ab. Bei mir frißt sich das Maschinengewehr fest. Es ist ein deutsches, und ich verstehe mich schlecht darauf, rufe Tschumak.
    Er kommt den Laufgraben entlang, hinkend. Ein Splitter hat die Weichteile seines Körpers gestreift. Die Matrosenmütze ist über dem rechten Ohr durchschossen. »Die beiden dort sind tot«, sagt er und nimmt den Verschluß heraus, »nur Fetzen sind übriggeblieben.«
    Ich antworte nichts, Tschumak macht etwas am Verschlußstück – was er tut, kann man nicht verfolgen – und setzt es wieder ein. Schießt eine Salve. Alles in Ordnung.
    »Werden die Patronen reichen, Bataillonskommandeur?«
    »Vorläufig reichen sie.«
    »Dort am Unterstand liegt noch ein Kasten. Ich glaube, der letzte …«
    »Eine Granate hat ihn getroffen.«
    Er schaut mir gerade in die Augen. Ich sehe in seinen Pupillen mein Spiegelbild.
    »Wir kommen hier nicht raus, Leutnant?« Seine Lippen bewegen sich kaum, sie sind trocken und weiß.
    »Nein«, sage ich.
    Er streckt mir die Hand hin. Ich drücke sie aus aller Kraft.
    Dann wird der Alte, der Sibirier, getötet.
    Wir schießen wieder. Das Maschinengewehr zittert wie im Schüttelfrost. Ich fühle, wie kleine Schweißrinnsale mir die Brust, den Rücken und unter den Armen entlangrieseln.
    Vor mir ist alles eben. Ekelhafte, graue Erde. Nur ein krummer Strauch, wie eine Hand mit Podagrafingern. Dann verschwindet auch er – das Maschinengewehr mäht ihn ab. Ich weiß nicht mehr, wie oft die Deutschen auftauchen. Ein-, zwei-, zehn-, zwölfmal. Im Kopf brummt es. Vielleicht sind auch Flieger über uns? Tschumak schreit etwas. Ich kann nichts verstehen. Walega reicht die Gurte zu, einen nach dem andern. Wie schnell werden sie leer. Ringsum liegen Hülsen, kein Platz zum Stehen …
    »Gib mehr! Mehr … Mehr, Walega!«
    Er schleppt einen Kasten … Schweiß rinnt über die Augen, warmer, klebriger Schweiß …
    »Los … Los!«
    Dann ein Gesicht, rot, ohne Feldmütze, glänzend.
    »Erlauben Sie, Genosse Leutnant.«
    »Geh weg!«
    »Aber Sie sind doch verwundet.«
    »Hau ab, zum Teufel!«
    Das Gesicht verschwindet, an seiner Stelle erscheint etwas Weißes oder Gelbes oder Rotes. Eins geht ins andere über. Im Film gibt es solche auseinanderfließenden Kreise und darüber Schrift. Die Kreise werden breiter, blasser,

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