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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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vorschriftsmäßig, mit Querstiegen, alles, wie es sich gehört. Haben sie etwa zwei Wochen benutzt. Ein ganz dicker Baum stand dort vor dem Fenster, so hat es niemand gesehen. Dann fingen sie an, die Fenster zu putzen – Vorgesetzte wurden erwartet –, und haben unsere Leiter abgerissen. Alle Kranken wurden zur Abteilungsleiterin gerufen … Aber was hatte das für Sinn! Am nächsten Tag haben wir aus Saal Sieben Sturzflüge gemacht.«
    Erstaunlich friedlich leuchtet die Lampe unter dem grünen Schirm. Zwischen den Balken nagen Mäuse. Hoch oben krachen vereinzelt Granaten.
    Der gelbbärtige Zwerg sitzt auf einem Fliegenpilz und raucht eine lange, gewundene Deckelpfeife. Der Engel fliegt über den dunklen, tintenblauen Himmel hin. Erstaunt blickt der Mops auf das umgestülpte Tintenfaß.
    Jemand hat Hitler einen Vollbart und einen wunderbaren »Maupassant«-Schnurrbart angemalt, und er ähnelt jetzt einer Friseurreklame.
    Im Nachbarunterstand liegen die Verwundeten. Wir haben sie nur mit dem Material aus den Verbandpäckchen verbinden können – was anderes haben wir nicht. Sie bitten ständig um etwas zu trinken. Und Wasser ist bei uns knapp – zwei deutsche Thermoskübel für zwanzig Mann.
    Im Laufe des Tages haben wir sieben Angriffe zurückgeschlagen, haben vier Tote und vier Verwundete gehabt und ein Maschinengewehr verloren.
    Ich schmiere die Pistole mit Öl und stecke sie in die Pistolentasche. Strecke mich auf der Pritsche aus.
    »Schlafen, was, Leutnant?« fragt Tschumak.
    »Nein, ich will bloß ein wenig liegen.«
    »Langweilig geworden, zuzuhören?«
    »Nein, nein, erzähl nur weiter, ich höre.«
    Und er fährt fort zu erzählen. Ich liege auf der Seite und höre diese ewige Geschichte von der Liebelei mit der Krankenschwester, blicke auf die träg daliegende Gestalt im Matrosenhemd, auf Karnauchows dicke, von Öl glänzenden Finger, die in der Pistole herumbohren, auf die Haarsträhne, die ihm in die Augen fällt. Mit dem Handgelenk, um das Gesicht nicht mit Öl zu verschmieren, streicht er sie alle Minuten zurück. Und es erscheint unglaubwürdig, daß wir vor einer oder zwei Stunden Angriffe abgewehrt und Verwundete durch die schmalen, unbequemen Laufgräben geschleppt haben, daß wir auf einem ganz kleinen Fleckchen von allen abgeschnitten sind.
    »Dennoch ist es schön im Lazarett, was, Tschumak?« frage ich.
    »Gewiß«, antwortet er.
    »Besser als hier?«
    »Ohne Frage! Liegst da, denkst an nichts, ißt und schläfst nur und gehst zur Behandlung.«
    »Hast du keine Sehnsucht nach den Deinen gehabt?«
    »Nach welchen Meinen?«
    »Nach dem Regiment, nach den Kameraden?«
    »Natürlich hab ich Sehnsucht gehabt. Habe mich deshalb auch einen Monat früher gesund schreiben lassen.«
    »Und behauptest, daß es im Lazarett schöner sei«, lacht Karnauchow.
    »Was grinst du da? Als ob du es selbst nicht wüßtest. Bist ja auch schon dort gewesen. Schön ist es immer da, wo man nicht ist. Sitzt du hier, zieht’s dich ins Lazarett, Unsinn zu treiben, dich auf sauberen Betten herumzurekeln … und liegst du im Lazarett, weißt du nicht, wohin mit dir, da zieht’s dich an die Front, zu den Kameraden.«
    Karnauchow setzt seine Pistole wieder zusammen. Es ist eine große mit einem bequemen Griff, eine erbeutete »Walther«. Er schiebt sie in die Pistolentasche.
    »Wie oft bist du im Lazarett gewesen, Tschumak?«
    »Dreimal. Zweimal im Armeelazarett und einmal im Hinterland. Und du?«
    »Zweimal.«
    Karnauchow lacht.
    »Es ist seltsam, wenn man wieder an die Front zurückkehrt, nicht wahr? Man muß sich von neuem dran gewöhnen.«
    »Aus dem Armeelazarett ist es noch nicht so schlimm – dort liegt man ja nicht lange. Aber aus dem Hinterland … Als ich von Kuibyschew kam, war es sogar ausgesprochen unangenehm. Du gehst in die Hocke, sobald eine Granate explodiert.«
    Beide lachen – Tschumak und Karnauchow.
    »Es ist schon eine komische Sache, Genosse Leutnant«, sagt Karnauchow und wischt sich die öligen Hände gleich an den wattierten Hosen ab. »Sitzt du im Graben, so scheint es dir, als ob es nichts Besseres und Ruhigeres als deinen Unterstand gäbe. Euer Bataillonsgefechtsstand – das ist schon ganz und gar Hinterland, und erst der des Regiments oder der Division … Die Soldaten nennen ja auch alle, die am Ufer liegen, ›Etappenhasen‹ …«
    »Und solche hast du nicht gesehen«, unterbricht Tschumak – er kann überhaupt nicht schweigen –, »solche, die hundert Kilometer von der Front

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