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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Nahrungsausgabe erhalten hatte. Er fragte sich, was er tun würde, wenn ihm auch noch die Zigaretten ausgingen. Der Tabak und die schüchterne Wärme des Ofens waren das Einzige, was ihn noch aufrecht hielt.
    Ich muss mir eine Frist setzen, dachte er. Noch drei Tage. Wenn sich dann nichts gebessert hat, ergeben wir uns. Und Gross muss mitgehen. Selbst wenn ich ihn prügeln muss.
    Er dachte noch ein wenig an den Leutnant des Nachbarabschnitts, Sohn eines Mittelschullehrers aus Westfalen, und natürlich an Rohleder. Beide würden sie bei einer eigenmächtigen Kapitulation sicherlich nicht untätig bleiben.
    Mal sehen. Drei Tage hier draußen waren eine lange Zeit. Er wickelte sich die Gesichtsmaske von der grauen Haut und sank auf seine Pritsche in einen tiefen, schwerelosen Schlaf. Er hatte nur zwei kurze Träume. Im ersten feuerte er wieder auf die an der Scheunenwand gekreuzigte Partisanin und entdeckte beim Herangehen, dass er seine Verlobte erschossen hatte. Diesen Traum hatte er bereits des Öfteren in ähnlichen Variationen geträumt. Die Bilder waren abgenutzt und unklar, wie bei einem zu oft abgespielten Film. Der zweite Traum drehte sich um sein rechtes Bein. Es wurde zerrissen, zerfetzt, von MG-Schüssen durchsiebt, und zwar jedes Mal genau unterhalb des Knies. Der Traum war überaus plastisch, und er wachte auf, weil er vor Entsetzen keine Luft mehr bekam.
    Der erste Handgriff galt sei nem Bein. Es war noch da. Unverletzt. Erleichtert fiel er wieder in den Schlaf.
    Sein Unterbewusstsein spielte die Kapitulation durch. Sie wurden verhaftet und vor ein Exekutionskommando gestellt. Er wollte schreien, sich wehren, ein Gnadengesuch einreichen, zum Schluss wenigstens noch ein Lied singen, aber er war zu müde, zu schwach, zu gleichgültig, als ginge ihn sein eigener Tod nichts mehr an, ja, er empfand ganz deutlich, dass Rettung möglich gewesen wäre, wenn er sich nur ausreichend darum bemüht hätte, aber so wurde er, ohne selbst viel Aufhebens davon zu machen, erschossen.
    Er erwachte mit einem intensiven Gelb hinter den Augenlidern. Draußen war es so still, dass er nicht verhindern konnte, wieder etwas Hoffnung zu schöpfen.

 
     
     
     
     
     
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    D ie ersten fahlen Streifen wurden von der aufgehenden Sonne in den Morgenhimmel reflektiert. Fritz befand sich mit den drei jüngsten der ehemaligen Bäcker im Graben an einem der MGs. Nach vier Tagen hatte es zum ersten Mal wieder Verpflegung gege ben. Sie löffelten eine dünne Suppe, auf der eine Eisschicht schwamm. Die jungen, zum Skelett abgemagerten Soldaten sahen unter ihren Stahlhelmen wie Totenkopfäffchen aus. Einer wechselte am MG-Schloss die in Lumpen gewickelten Ziegelsteine zum Anwärmen. Er ließ die Hände auf den warmen Steinen liegen, bis er bemerkte, dass ein anderer seine Suppe schlürfte. Fritz schlichtete den Streit mit wenigen Handgriffen und schmierte einem seiner Schützlinge Ruß ins Gesicht, den er einer Konservendose entnahm. »Trag dir noch ’n bisschen Rouge auf. Ist gegen die Kälte. Sonst ist der Rotzhöcker ab.«
    Es war Wunne, der eine junge schwangere Frau zu Hause hatte und dauernd nachrechnete, ob das Kind überhaupt von ihm sein konnte. Sein letzter Urlaub lag über neun Monate zurück, und das beschäftigte ihn selbst in halb erfrorenem Zustand. Jeden Tag sprach er davon, dass er deswegen unbedingt nach Hause müsse, und so wartete er ungeduldig auf den Befehl zum Ausbruch. Er war erklärter Feind von Zabel, einem, der jeden Tag drohte, nachts zu den Russen überzulaufen.
    Fritz musterte mit besorgtem Blick seinen Jüngsten. »Bautz, ich hab dir doch gesagt, lass dir ’n Bart stehen.«
    »Mir wächst keiner«, flüsterte Bautz zähneklappernd.
    »Siehst aus wie Nille«, stellte Fritz zutreffend fest. »Hier, nimm meine Gasmaske.« Er schnallte Bautz die Gasmaske vor das Gesicht, der wirksamste Schutz, den sie gegen die Kälte hatten.
    Vom russischen Graben dra ng eine deutsche Stimme über Megafon herüber. Die Soldaten hörten sie nicht zum ersten Mal. Sie sprach:
     
    Habt ihr denn den Verstand verloren?
    Hier k ommt kein Mensch lebendig raus!
    Wollt ihr im Kessel hier verschmoren?
    Dann ko mmt ihr niemals mehr nach Haus.
    Von Stalingrad ist kein Entrinnen,
    und nirgendwo gibt es ein Loch.
    Wie lange wollte ihr euch besinnen?
    Ja, worauf wartet ihr denn noch?
     
    »Darauf, dass ihr bessere Gedichte schreibt«, knurrte Fritz. Er warf einen Blick auf die zwei dunklen Flecken draußen im Schnee, auf denen

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