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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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von Erfolg gekrönt sein könne, wenn er Fritz wie damals begleitete.
    Rollo schmierte den beiden das Gesicht mit einem weißen Brei aus Kalktabletten ein.
    »Bringst du das mit dem Seil?«
    Bubi nickte. Ein flüchtiger Blick in Fritz’ Gesicht verriet ihm, dass sie beide gleich viel Angst hatten.
    Fritz kletterte als Erster aus dem Graben, gleich darauf Bubi. Vorsichtig, die Toten als Deckung nutzend, arbeiteten sie sich kriechend Meter für Meter auf ihr Ziel zu, das mit seinen steif in die Höhe gereckten vier Beinen leicht auszumachen war. Die Route hatten sie sich am Nachmittag genau eingeprägt.
    Noch zwanzig Meter. Hinter vier von unzähligen Schnäbeln zerhackten Leichen, deren Schädelbe in im Mondlicht schimmerte, versuchten sie wieder Atem zu schöpfen. Ihre Augen glitzerten sich im Dunkeln an. Die Situation erinnerte sie so stark an ihren ersten gemeinsamen Ausflug, dass sie neue Zuversicht schöpften. Sie hoben sich kurz aus der Deckung und schleuderten ihre zwei aus Schürhaken zusammengebastelten Fangwerkzeuge, die mit dumpfem Geräusch hinter dem Pferd einschlugen. Ein unterdrückter Aufschrei zeigte, dass sie nicht die einzigen Lebendigen im Niemandsland waren. Drei Russen, die hinter dem Pferd auf der Lauer gelegen hatten, eröffneten das Feuer.
    Fritz und Bubi zogen die Dec kung der Russen, das Pferd, beiseite und machten die Schussbahn für Rollo und Gross frei, die mehrere kurze MG-Stöße auf die feindlichen Soldaten abfeuerten.
    Aus dem russischen Graben stiegen Leuchtraketen auf. Fritz und Bubi warfen das andere Ende des Seils, das mit je einem Stahlstück beschwert war, in den deutschen Graben zurück und pressten sich hinter den Leichen auf den Boden, ehe die ersten MG-Garben über sie hinwegpfiffen und mehrere Kugeln dumpf in ihre hart gefrorene Deckung schlugen.
    Der Pferdekadaver wurde durch den Schnee gezogen, die Russen beschossen ihn mit einem Granatwerfer, der dritte Einschlag war ein Volltreffer, sodass Rollo und seine Leute nur noch Reste der Beute in den Graben ziehen konnten.
    Während die Aufmerksamkeit der Russen auf das Pferd gelenkt war, krochen Fritz und Bubi zurück hinter die Leichen der beiden deutschen Deserteure. Fritz knirsch te in hilfloser Wut mit den Zähnen. »Die Säue, die verdammten Säue!«
    Er sah, wie zwei russische Soldaten aus dem Graben huschten und zu einem ihrer um Hilfe schreienden Verwundeten robbten. Bubi hatte sich umgedreht und wollte in den Graben zurückkriechen. Fritz hielt ihn am Arm fest. Bubi begriff, was er vorhatte, und nickte. Sie warteten, bis sie die Pelzmützen der beiden Russen im Visier hatten. Als der Erste sein e Hand nach dem Arm des Verletzten ausstreckte, drückten sie ab. Die Köpfe fielen in den Schnee.
    Fritz und Bubi krochen im Sichtschutz einer Schneewehe so schnell sie konnten in den deutschen Graben zurück, während ein feindlicher Granatwerfereinschlag ihre letzte Deckung wie eine Spinne mit verrenkten Gliedern in die Luft hob und wieder fallen ließ. Ihre Kameraden machten sich bereits mit Messern und Seitengewehren über die Reste des Pferdekadavers her. Das gefrorene Fleisch wurde von den Knochen geschnitten und roh verschlungen. Auf das, was die Ersten beiseite schleuderten, stürzten sich gierig die Nächsten.
    Der Leutnant betrachtete die Männer, die mehr an einen Eingeborenenstamm Kannibalen denn an eine Abteilung deutscher Soldaten erinnerten. »Hört auf! Wir kochen das Fleisch. Bautz, Zabel, Rohleder, Gross – zurück an die MGs, verdammt!«
    Keiner gehorchte. Die Kunde von Fleisch hatte sich wie ein Lauffeuer im Graben verbreitet. Von beiden Seiten schleppten sich immer mehr von Krankheit und Schwäche gezeichnete Gestalten herbei. Wie ein Wolfsrudel kämpften die Männer um die letzten Fleischfetzen.
    Ein junger Soldat versuchte m it dem Gewehrkolben und Stiefeltritten den Pferdekopf zu zertrümmern, doch er war zu schwach. Ein anderer hebelte mit dem Seitengewehr, das er durch die Augenhöhlen schob, den Knochen auf und begann das Gehirn herauszukratzen. Die zu spät Gekommenen prügelten sich, schwankend vor Erschöpfung, um die letzten Knochensplitter. Einer von ihnen stopfte sich blutigen Schnee in den Mund.
    Wir werden zu Tieren, dachte Hans. Er war so gefangen von den Bildern maßloser Gier, dass ihm erst zu Bewusstsein kam, noch nichts gegessen zu haben, als Gross ihm ein Stück rohes Fleisch hinhielt. »Zum Kochen haben wir sowieso kein Holz, Herr Leutnant. Also greifen Sie zu.«
    Hans nahm ihm das

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