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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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die Hände. Rollo stocherte mit dem Gewehrlauf ungeduldig im Schnee herum.
    Gross musterte die verkohlten Trümmer. »Seid ihr sicher, dass er Apfelbaum gesagt hat?«
    Fritz nickte. Er überlegte, ob er Hans für vorhin danken sollte, aber nach einem kurzen Blick in dessen Gesicht ließ er es bleiben. Ich hätte es nicht gekonnt, dachte er, ich hätte den Jungen nicht erschießen können, bestimmt nicht.
    Ja, er hätte dem Leutnant dankbar sein müssen, doch dessen Kälte, die in immer krankhafteren Ausfällen endete, stieß ihn mehr und mehr ab, und er konnte nicht verhindern, dass er sich plötzlich fragte, ob es dem Leutnant inzwischen auf eine perverse Art Spaß machte zu töten, genau wie Gross.
    Rollo richtete sich keuchend auf. Selbst die geringste Anstrengung reichte inzwischen, um ihn an den Rand der Erschöpfung zu bringen. »Wahrscheinlich sind die Viecher längst krepiert. Falls es sie jemals gegeben hat.«
    Hans trat auf einen Ast und hob ihn auf. An seinem Ende hing eine kleine schwarze Frucht. Ein verbrannter Apfel. Er kniete nieder und kroch durch den Schnee. Die anderen beobachteten ihn ohne viel Hoffnung.
    Er stieß auf etwas Festes, das sich als ein Baumstumpf entpuppte. Seine Finger blieben in einigen schartigen Öffnungen hängen.
    »Kommt mal her! Da sind Luftlöcher.«
    Die anderen traten ungläubig näher. Hans wies triumphierend auf die Ecke einer Holzklappe. Rollo und Fritz begannen das gefrorene Eis wegzuhacken. Langsam zeichneten sich die Konturen einer Falltür ab.
    Rollo presste seine Nase an die runden Luftlöcher. »Mensch, ich riech was!«
    Daraufhin waren sie nicht mehr zu halten. Gemeinsam hackten und rissen sie die Klappe auseinander. Rollo stieß die anderen beiseite, kroch in die Öffnung und tauchte strahlend mit einem Käfig wieder auf, in dem zwei abgemagerte Zwerghasen saßen.
    »Sind die aber klein«, flüsterte Bubi gerührt.
    »Besser als nichts.«
    »Lass sie mich wenigstens mal streicheln.«
    Rollo zögerte, dann hielt er ih m den Käfig hin. »Von mir aus.«
    Bubi fuhr vorsichtig mit den Fingerspitzen durch das verdreckte Fell der Hasen. »Ganz weich.«
    Rollo zog den Käfig wieder z urück, nahm die Hasen nacheinan der heraus und erledigte sie mit zwei kurzen Nackenschlägen. Fritz half ihm beim Abziehen, warf einen traurigen Blick auf das dünne Fell. »Taugt nicht mal als Pulswärmer.«
    Gross zerhackte den Käfig zu Feuerholz, Hans wollte etwas Stroh zum Anzünden aus der Öffnung holen – plötzlich schlossen sich seine Hände um eine dünne flache Metallkiste. Langsam zog er sie unter dem Stroh hervor und stellte sie in den Schnee.
    Rollo wich ängstlich zurück. »Vorsichtig, Mensch, ist vielleicht ’n Sprengsatz!«
    Gross untersuchte die Kiste sorgfältig und löste s chließlich langsam den Verschluss. Nichts geschah. Behutsam hob er den Deckel. Hans nahm den Inhalt heraus – deutsche Wehrpässe, Karten, Papiere …
    »Er war also doch ’n Spion«, sagte Rollo.
    Hans stutzte, ließ sein Feuerzeug aufspringen und studierte eines der Papiere genauer. Seine Hände begannen zu zittern.
    Fritz riss ihm die Papiere au s der Hand, versuchte mit zusammengekniffenen Augen vergeblich in der Dunkelheit die ersten Zeilen zu entziffern. Er gab die Papiere, die wie irgendwelche Urkunden aussahen, verständnislos an Hans zurück. »Was ist ’n so besonderes daran?«
    Hans besah sich die Papiere im Schein seines Feuerzeugs. Als er es endlich fassen konnte, nickte er. »Das Besondere daran ist«, sagte er langsam, »dass diese Papiere möglicherweise di e Freiheit bedeuten.«
    Die anderen sahen ihn verständnislos an.
    »Passierscheine, vom Divisionsarzt unterschrieben. Freikarten, um aus dem Kessel rauszukommen. Zehn Stück.«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis seine Worte in das Bewusstsein der anderen gedrungen waren.
    »Mensch, zeig her!«, rief Fritz und riss ihm erneut die Papiere aus der Hand. Auch die anderen ließen ihre Feuerzeuge aufspringen und studierten sie ungläubig.
    Hans starrte auf die Silhouette des Grabkreuzes. Die Botschaft war klar. Der Junge hatte ihnen ihre Rettung vermacht, trotz allem, was sie ihm angetan hatten. Er schämte sich.
    Rollo warf eines der Papiere verächtlich in den Schnee. »Das ist wieder ein ganz mieser Russentrick. Wird in die deutschen Gräben geschmissen, und wenn man dann am Flugplatz damit aufkreuzt, wird man abgeknallt.«
    Bubi hob das Papier wieder auf und klopfte sorgfältig den Schnee davon ab. »Sieht aber echt aus. Den

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