Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
Vom Netzwerk:
Kalmeit! Sie haften mir mit Ihrem Kopf dafür … Kalmeit?«
    Die Verbindung war unterbrochen worden. Stabsleutnant Helly begann laut und respektlos zu lachen.
    »Hören Sie auf, Helly!« Das Gesicht des Obersts war fahl. »Na schön, sterben wir, wie es sich für deutsche Soldaten gehört.«
    Den Mund zum Strich gepresst, starrte er wieder auf die Kapsel, dachte an seine liebe Frau, die noch unverheirateten Töchter, das Gut im Warthegau, das er so günstig erworben hatte.
    »Andererseits, wir haben auch Verpflichtungen der Nachwelt gegenüber. Die Wahrheit über unsere heroische Tapferkeit muss weitergegeben werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie vom Bolschewismus in den Schmutz gezogen wird. Was meinen Sie, Helly?«
    »Ich meine«, sagte der Stabsleutnant und wischte sich das Blut von der Stirn, »dass Ihnen für ein Kapitulationsangebot nicht mehr allzu viel Zeit bleibt.«
    Neue Einschläge bestätigten das nachdrücklich. Sie wurden von weiterem, provokantem Gelächter des Stabsleutnants begleitet.
    »Ich verbiete Ihnen zu lachen, Helly!«
    Der Oberst presste den Mund gegen die Handknöchel, gewann Haltung. Größe. Unnahbarkeit.
    »Sie werden jetzt mit diesen Männern nach vorn gehen und die Stellung halten, bis ich für meine Person eine Entscheidung getroffen habe!« Sein Arm schnellte nach vorn. »Bei der geringsten Widersetzlichkeit dieser Kreaturen ist von der Schusswaffe Gebrauch zu machen!«
    Helly lachte noch lauter. Dann wandte er sich seinen drei neuen Untergebenen zu. »Los, mitkommen. Geht schnell, Freunde.«
    Er war bereits an der Tür, als ihn der Oberst noch einmal anrief.
    »Helly!« Der Leutnant blieb stehen. »Helfen Sie mir in meine Hosen.«
    Der Leutnant starrte den Oberst an. Sein Blut tropfte auf die Dielen. »Nein.«
    Für einen Augenblick fand der Oberst keine Worte. »Sie wagen es?«, keuchte er dann. »Trotz meiner Kriegsverletzung?«
    »Ich habe drei Kampfgruppen verheizt«, sagte Helly, langsam lauter werdend, »und Ihren gesamte n Stab, weil Sie sich nicht entscheiden konnten, ob Sie diese verdammte Kapsel nehmen oder kapitulieren wollen. Ich gehe jetzt mit den letzten drei Hanseln da raus und lasse mich von den russischen Panzern als Mosaik in den Schnee walzen, weil Sie es befehlen. Aber in Ihre Scheißhosen helf ich Ihnen nicht!« Er machte eine erschöpfte Handbewegung. »Kommt, Freunde. Hat wenig Sinn, wenn wir uns noch einander vorstellen.«
    Erstaunt registrierte er, dass die Waffe des Mannes im blutigen Pelzmantel auf ihn zeigte.
    »Sind da draußen noch welche am Leben?«
    Helly nickte. Ein kurzer Blick in die Augen seines Gegenübers zeigte ihm, dass der Mann irrsinnig war. »Ein paar werden schon noch durch die Gegend kriechen.«
    »Gehen Sie raus«, sagte der Mann, »und ergeben Sie sich.« Seine Lippen verzerrten sich verächtlich. »Wenn es noch möglich sein sollte. Gehen Sie!«, brüllte er.
    Helly nickte kurz und stolperte zur Tür, und während ihm Wind ins Gesicht schlug, dachte er, dass es eine verrückte Welt war, in der die Wahnsinnigen die besten Einfälle hatten.
     
    Hans richtete seine Waffe auf den Oberst. »Nehmen Sie Ihre Kapsel«, flüsterte er. »Ich zähle bis drei, dann helfe ich Ihnen.«
    Der Oberst blinzelte und legte den Kopf leicht schief, als hätte er nicht richtig verstanden.
    Plötzlich sprang er hoch, mit einer Schnelligkeit, zu der die drei Deserteure längst nicht mehr in der Lage waren, und stürmte zur Tür.
    »Nicht!«, brüllte Rollo und stürzte auf Hans zu. Der hatte die Waffe bereits sinken lassen. Er konnte nicht auf einen Mann in Unterhosen schießen.
    Das Zittern der Erde unter näher kommenden Panzerketten ließ auch sie nach draußen laufen. Im Schneegeheul stolperten sie davon, den eisigen Wind im Gesicht, nach Osten. Fielen in einen verwehten Graben. Hörten undeutlich Schreie hinter sich. Drehten, bis zum Hals im Schnee, die Köpfe.
    Aus dem niedergebrannten Wäld chen, über die Hügelkette, stolperte, kroch es heran, wie eine dünne, graue, sich durch den Schnee windende Schlange. Deutsche Infanterie. Ohne Waffen, die Knöpfe von den Mänteln gerissen, wahnsinnig vor Angst. Und dahinter, viel zu schnell für die durch den knietiefen Schnee kriechenden Elendsgestalten, hinter einer meterhohen Schneewoge, russische Panzer. Und keine weggeworfene Waffe, keine nach oben gereckten Arme, keine hilflos in den Wehen zappelnden Beine fanden ihre Gnade. Wild kreuzten sie auf einem Teppich roter Flecken hin und her.
    Auch der

Weitere Kostenlose Bücher