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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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war das Messer, das er ihr damals abgenommen hatte.
    »Wirst du mich etwa damit töten?«, fragte sie verächtlich. »Eine typisch deutsche Idee. Romantisch und sentimental. Ihr tötet, um hinterher weinen zu können. Ihr werdet noch in euren Tränen ertrinken.«
    »Du scheinst uns wirklich gut zu kennen«, murmelte er.
    »Ich habe eure Sprache früher geliebt. Das werde ich mir nie verzeihen. Warum tust du es nicht endlich?«
    »Ich will dir nichts tun.«
    Sie hatte wieder genug Kraft, um sich aus seiner Umarmung zu befreien. »Du kannst mir nur einen Gefallen tun«, flüsterte sie. Ihr Blick durchschaute ihn, und er wich vor ihm zurück. »Du wolltest mich töten, als du hier reingekommen bist, ich weiß es, aber jetzt kannst du es nicht mehr. Du hast dich zu weit vorgewagt. Für dein kleines deutsches Herz war Russland zu groß und zu kalt. Warum schießt du nicht, warum nicht? Du hast Angst, dein reines Gewissen zu belasten. Du hast viele andere getötet, aber das war im Kampf, ganz regulär, für Deutschland, für den Führer …«
    »Hör auf!«
    »Was glaubst du, tapferer kleiner Soldat, was dein Führer hier tut? Wie Ungeziefer vernichtet er uns! Wozu also die Heuchelei? Warum führst du nicht endlich den Krieg, den er schon lange führt? Warum nicht? Ich führe seinen Krieg«, schrie sie mit erstickter Stimme. »Wie Stöcke zerbreche ich euch, wo ich kann!«
    »Hör auf!«, rief er erneut. Er fü hlte, wie ihr Hass auf ihn übersprang und seine Bewegungen und Gedanken außer Kontrolle gerieten.
    Er fing wieder an zu zittern und sie lachte höhnisch. »Sicher hast du zu Hause eine junge, unschuldige Braut«, flüsterte sie. »Liebst du sie sehr, ja? Mit jedem Meter, den der deutsche Soldat zwischen sich und seine Braut legt, wächst seine Liebe zu ihr. Wahrscheinlich erobert ihr nur deshalb die Welt.«
    Sein Schlag in ihr Gesicht ließ sie nur noch hasserfüllter fortfahren: »Aber du wirst sie nie wiedersehen, du armer Idiot! Wahrscheinlich hast du noch nicht ein einziges Mal mit ihr geschlafen …«
    Er schleuderte sie zu Boden, wollte ihr wieder aufhelfen, sie beruhigen, trösten. Aber aus jeder seiner Bewegungen, aus jedem seiner
    Wörter wurde ein Schlag.
    »Hör auf!«, schrie er und meinte eigentlich sich selbst.
    Das Blut lief ihr aus der Nase, und sie schrie ihn mit vor Wut entstellter Stimme an: »Fick mich oder erschieß mich – oder hau ab!«
    Er hörte auf, sie zu schlagen. Er wollte nicht schon wieder Blut sehen, nicht schon wieder. Seine Hände tasteten hilflos über ihr Gesicht, als könnten sie das Blut festhalten.
    Sie stieß ihn zurück, starrte ihn an, ihre Hand fuhr zum Mund, und sie begann zu kichern wie ein zorniges kleines Mädchen. Und dann sagte sie:
    »Du willst einfach nur ficken, ganz normal ficken, aber du kannst nicht. Der russische Winter war hart, zu wenig Fleisch vom Führer. Macht nichts.« Ihr Gesicht entspannte sich plötzlich. »Ich zeig dir, wie die Deutschen ficken!« Mit einer schnellen Bewegung riss sie ihm die Waffe aus dem Gürtel und schob sie sich unter das Kleid zwischen die Beine. »Geht fast wie russisches Roulette«, flüsterte sie. »Deutsches Roulette …«
    Er saß da wie gelähmt, unfähig, s ich zu rühren, und er hörte wieder die Stimme von Petroff – Sie liebt nicht Männer. Sie liebt nur Pistolen –, und er begriff erst jetzt, was der Russe gemeint hatte, und er hörte Gejohle und Stimmen, die durcheinanderbrüllten. Er hatte das alles schon einmal erlebt. Sturmbannführer Roschmann. Sie würde ihn erschießen, wie er damals die Partisanin, und das war gut so, denn dann würde endlich Schluss sein.
    »Schieß doch, schieß doch!«, zischte er, und gleichzeitig wollte er zu ihr und ihr die Waffe aus der Hand reißen.
    Er hörte, wie sie ein letztes Mal »Scheißdeutscher« flüsterte, und er hörte den Knall, und als er begriff, dass er nicht getroffen war, öffnete er die Augen und sah, wie sich ihr Fuß leicht bewegte. Sein Blick folgte langsam ihrem Stiefel, das Bein entlang, über den Körper, das von Blut verschmierte Kleid, bis er ihre starren, weit geöffneten Augen erreichte.
    Plötzlich sah er, dass sie weinte, und er dachte: Tote weinen nicht. Dann sah er, dass das Blut auf ihrem Kleid aus ihrer Nase tropfte. Sie hatte nicht geschossen. Er streckte die Hand aus, nahm die Pistole an sich und hörte sie weinen, und er begriff, dass sie sich schämte, weil sie ihn und sich selbst nicht getötet hatte.
    »Ich konnte es auch nicht«, murmelte

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