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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Schwein, oder auch ein Soldat? Erschieß mich gleich.«
    Für einen Moment schien ihm das Ganze ebenso unwirklich wie kindisch, fast so, als versuchten sie, ein Theaterstück zu spielen, und könnten sich nicht mehr an den Text erinnern. Dann zuckte er mit den Schultern. »Ich gebe dir morgen früh meine Pistole, dann kannst du dich selbst erschießen, wenn du’s unbedingt willst.«
    Als habe jemand eine andere Schallplatte in ihm aufgelegt, fühlte er sich mit einem Mal zu schwach, zu erschöpft, zu leer, um noch jemanden zu töten. Und das andere … Er musste es tun, jetzt gleich, bevor er auch dazu nicht mehr die Kraft hatte.
    »Ich kann die anderen nicht m ehr länger warten lassen«, flüsterte er mit verzerrtem Gesicht. Dann warf er sich über sie, obwohl er es gar nicht mehr wollte, als würde er auch diesmal noch irgendeinem sinnlosen Befehl folgen. Es war, als würde er in einen See springen, der mit Nebel gefüllt war. Obwohl er sah, wie seine Hände über ihre Haut glitten, fühlte er nichts, und seine Lippen waren so taub wie seine Glieder.
    Sie ließ alles mit sich geschehen, al s wäre sie tot. Verzweifelt versuchte er, in den Wahn zurückzufinden, dass es eine rituelle Handlung wäre, ein letztes, großes, gewaltiges Opfer, welches das Schicksal ihm abnötige, ein Todeskult, der sein Ende möglich machte. Aber es wurde immer lächerlicher, alberner, als würde er sich nicht einmal auf einer Leiche, sondern einer Stoffpuppe abmühen. Er wollte lachen, aber seine Gedanken verboten es ihm, drückten sich wie ein kalter Schienenstrang durch seinen Kopf, pressten sich gegen die Augen, bis er Tränen auf seine Hände tropfen sah. Er versuchte sie wegzuwischen, aber es kamen immer neue, und das Gesicht der Russin flimmerte verschwommen vor seinen Augen.
    Er schüttelte sie in hilfloser Wut. »Ich will noch einmal eine Frau haben, bevor ich hier krepiere! Das ist mir dieses verdammte Leben schuldig!« Er wischte sich übers Gesicht. »Ein Stück Brot, ein Stück Wurst, ein letzter Geschlechtsverkehr«, stieß er angewidert von sich selbst hervor. »Geht das Leben nicht großartig zu Ende?«
    Sie reagierte zunächst nicht. »Du hättest dir eine andere aussuchen sollen«, murmelte sie schließlich. Ihr Hass klang traurig.
    »Nein.«
    »Weil ich versucht habe, dich zu töten?«
    »Ja.« Sein Blick irrte umher. »Dadurch gehören wir zusammen. Irgendwie.«
    Sie wischte sich seine Tränen ab. »Früher habe ich auch geweint«, sagte sie bitter. »Aber das macht euch dann noch mehr Spaß. Jetzt weine ich nicht mehr. Tu, was du willst.«
    Hans ließ sie los, fuhr mit der Hand sanft über ihr Haar. Ihr Kopf zuckte unter der Zärtlichkeit zur Seite, sie begann zu zittern, versuchte es zu unterdrücken, hielt mit einer Hand ihre andere fest.
    Hans nahm ihren Zustand nicht wahr. Seine Gedanken hatten sich auf den Schienenstrang hinter seinen Augen gelegt, auf dem sie immer schneller entlangfuhren und von dem sie nicht mehr herunterkonnten. Sie rollten in die Vergangenheit zurück, und die Erinnerungen an frühere Rendezvous unter normalen Bedingungen passierten sein Gedächtnis wie Signalmasten die Scheiben eines dahinrasenden Waggons.
    »Es ist doch jetzt vollkommen gleichgültig«, flüsterte er, »dass wir Feinde waren, dass du mich töten wolltest. Ich verzeihe dir.« Er nahm ihre Hand, sie versuchte, sie wegzuziehen, überließ sie ihm dann achtlos. Sie zitterte jetzt so h eftig, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. »Du hast schöne Augen …«
    Sie begann zu lachen. Es klang, als müsste sie sich übergeben.
    Hans, in der Vergangenheit, führte ihre Hand an seine Wange, dann umarmte er sie. Wieder ließ sie alles mit sich geschehen.
    Auch er begann zu zittern, sei ne Bewegungen liefen vor ihm davon, sein Hals war wie zugeschnürt, er wollte weinen und konnte es nicht, doch er gab sich den Befehl dazu, bis sich der Knoten in seinem Hals löste, denn er glaubte vor lauter Verzweiflung, die alten Gefühle mit seinem Schluchzen wieder zum Leben zu erwecken.
    »Lach nur.« Auf seinem Gesicht stand die Grimasse eines früheren Lächelns. »Es ist schön, wenn du lachst. Komm, sag mir deinen Namen …« Plötzlich nahm er ihr Gesicht wieder wahr, klein und weit entfernt. Es war, als hätte er versucht, über eine tiefe Schlucht zu springen, und mitten im Sprung erkannt, dass es viel zu weit war.
    Er ließ sie los, dann fiel ihm etwas ein, und er zog lächelnd ein Messer aus der Tasche. »Ich hab es immer noch.« Es

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