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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Schulterblättern war eine Tätowierung, so groß wie ein Eishockey-Puck. Sie stellte einen Schild dar, auf dem oben OMON und unten TWER stand. In der Mitte prangte das Tigerkopfemblem der Schwarzen Barette.
    Arkadi faltete eine Kopie des Fotos auseinander, das Soja ihm gegeben hatte und das die Tätowierung ihres Mannes zeigte, den Tiger, der die Wölfe in die Flucht schlug. Filotows Tiger und der OMON-Tiger hatten den gleichen Kopf. Jetzt, da er einen Vergleichspunkt hatte, sah Arkadi, dass der Rest der stärker ausgeschmückten Tätowierung Filotows - die feigen Wölfe, der dichte Wald, der Bergbach - später hinzugefügt worden war, auch der Name der Stadt Twer, den der Tätowierer auf einen Ast geschrieben hatte.
    Der Pathologe schaltete den Föhn ein und ließ die warme Luft über die Arme des Toten auf und ab streichen. »Fingerabdrücke auf Haut sind eine verzwickte Sache, denn Haut wächst, schuppt, schwitzt, dehnt und faltet sich, reibt sich ab. Das hier ist nur eine Demonstration, ja?«
    »Ja«, sagte Arkadi.
    Der Pathologe schob ein Plastikröhrchen durch den Gummistöpsel am einen Ende des Glaszylinders, zog den Stöpsel am anderen Ende ab, nahm das Röhrchen zwischen die Lippen und blies hinein. Er blies gleichmäßig und bewegte das offene Ende der Flöte über den Armen des Toten hin und her. Die austretenden warmen Joddämpfe verbanden sich mit den Hautfetten und ließen latente Abdrücke sichtbar werden eine einfache Aufgabe, die aber Sorgfalt erforderte, denn Joddämpfe konnten Metall korrodieren, von der zarten Mundschleimhaut ganz zu schweigen.
    Wie auf einem Foto im Entwicklerbad erschienen die Abdrücke von Handfläche, Handballen und Fingern einer großen Hand in Sepiafarben an Kusnezows Handgelenken.
    Platonow war aufgeregt. »Sie haben gefunden, was Sie suchen!«
    »Verwischt«, sagte der Pathologe. »Zu viel gezerrt und gedreht. Kein einziger brauchbarer Abdruck.«
    In gewisser Weise war es das schlechteste denkbare Ergebnis, dachte Arkadi: Befürchtungen bestätigt, aber kein Wissen gewonnen. Sein Handy signalisierte eine SMS: »Dringend treffen. Du weißt, wo ;-)« Das musste von Viktor sein. Arkadi bestätigte und wandte sich dann Kusnezows Frau zu. Sie hatte die unbestimmbare Farbe eines alten Teppichs, und vielleicht war sie das zu Lebzeiten auch gewesen, dachte Arkadi - überall Schorf und blaue Flecken, als hätte Kusnezow seine Stiefel an ihr abgewischt. Ihr Kopf war starr zurückgebogen, und Mund und Augen klafften weit offen.
    »Kann man seine Zunge verschlucken?«, fragte Platonow. »Die Zunge ist ein fest mit dem Mundboden verbundener Muskel«, antwortete der Pathologe. »Den kann man nicht verschlucken. »
    »Da ist getrocknetes Blut in den Nasenlöchern«, stellte Arkadi fest.
    »Sie ist nicht an Nasenbluten gestorben.«
    »Woran dann? Glücklich sieht sie nicht aus.«
    »Bei kongestivem Herzversagen, Lungenentzündung, Diabetes, Leberzirrhose und ihrem Alkoholpegel - wer kann das sagen? Ihr Herz ist stehen geblieben. Soll ich sie auch bedampfen?«
    »Bitte.«
    Der Pathologe spielte die Flöte über ihren Armen und fand keine Abdrücke, nicht einmal verwischte. Aber ihre Augen sagten etwas, fand Arkadi.
    »Ihr Gesicht«, sagte er. »Versuchen Sie es mit dem Gesicht.«
    Der Pathologe beugte sich mit der Flöte über sie, und als er sich wieder aufrichtete, war der Abdruck einer Hand auf Nase und Mund zu sehen. Er war verschwommen, aber es war eine Schattenhand, die Nase und Mund verschloss.
    »Wenn jemand ihr die Hand auf den Mund drückt und die Nase zuhält, vielleicht von hinten, ein großer Mann mit Nahkampfausbildung, der sie erst vom Boden gehoben und ihr die Luft aus der Lunge gepresst hat … »
    »Dann könnte die Zunge zurückfallen und - ja - die Atemwege bis zu einem gewissen Grad blockieren. Ich weiß aber nicht, wie weit das entscheidend sein kann.«
    »Wie lange würde es dauern?«
    »Wenn sie gleich zu Anfang keine Luft mehr bekommen hat … beim Zustand ihres Herzens und bei dem Alkoholpegel - überhaupt nicht lange. Aber ich dachte, sie war in einer Haftzelle bei der Miliz?«
    »Das war sie auch. Ich brauche ein paar Bilder von diesen
    Abdrücken, bevor sie wieder verblassen.«
    »Was haben Sie damit vor?«, fragte Platonow. »Wahrscheinlich gar nichts.«
    Immerhin - Kusnezow war ein Schwarzbarett aus Twer gewesen, genau wie Isakow und Urman, und alle drei hatten in Tschetschenien gedient. Es war schwer zu glauben, dass die beiden Polizisten ihren alten

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