Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
Freunde.«
    »Ja.«
    »Sie haben ihn bewundert.«
    »Er war ein belesener Mann. Nicht das, was man bei einem Schwarzen Barett in der Kampfzone erwarten würde. Natürlich habe ich ihn bewundert, und jetzt ist er Kandidat der Russischen Patrioten. Er hat sich verändert.«
    »Das hab ich mir gedacht. Deshalb kam es mir merkwürdig vor, dass Sie heute nicht bei ihm gesessen oder wenigstens ein paar Worte mit ihm gewechselt haben. Sie haben einander ignoriert. Warum?«
    »Ist das Ihre Frage? In welcher persönlichen Beziehung ich heute zu dem Kriminalbeamten Isakow stehe?«
    »Zu ihm und Marat Urman.«
    »Wollen Sie meine offizielle Meinung hören? Isakow und Urman sind Veteranen der Schwarzen Barette und geachtete Russische Patrioten, und die Schlacht an der Sunscha-Brücke war ein beispielhaftes Zeugnis für den Kampfgeist der OMON. Wie finden Sie das?«
    »Warum hat OMON Isakow im Rang eines Hauptmanns belassen?«, fragte Arkadi. »Warum wurde er nach einen solchen Sieg nicht befördert? Was stimmte da nicht?«
    »Fragen Sie Major Agronski. Er war Vorsitzender des Empfehlungsausschusses.« Ginsberg trat schwankend vom Randstein und lachte. »Vielleicht konnte Agronski zählen. Fünfzig Rebellen gegen sechs Schwarze Barette - nein, das habe ich nie gesagt. Einen Salut der Roten Fahne. Hurra! Hurra! Hurra!«
    Die Eingangstür des neuen Gerichtsgebäudes war aus Glas.
    Arkadi sah die Schwarzen Barette in der Eingangshalle. Bierflaschen waren aus dem Nichts erschienen. Alkohol war auf dem Gerichtsgelände verboten, aber das Wachpersonal hatte sich klug zurückgezogen. Urman erwiderte Arkadis Blick von drinnen.
    Ginsberg sah Urman auch. »Marat nennt mich Zwerg. In Wirklichkeit bin ich nur gekürzt. Die gekürzte Fassung eines Reporters, und das betrifft nicht nur meine Körpergröße, sondern auch das, was ich schreibe. Man sagt, nur das Grab korrigiert den Buckel. Stimmt nicht! Meine Redakteure korrigieren mich dauernd. Und die Redakteure sagen, in diesen unruhigen Zeiten brauchen wir Helden, die uns gegen Terroristen verteidigen. Wir brauchen eine Polizei zur Aufruhrbekämpfung, selbst wenn das bedeutet, dass OMON Amok läuft und jeden >Schwarzen< zusammenschlägt, den sie auf der Straße finden - wobei >schwarz< jeder ist, dessen Haut dunkler ist als das zarte russische Rosa. Tschetschenen, Kaukasier, Afrikaner, der eine oder andere Jude. Ich sage nicht, dass OMON Befehlen folgt - nein, schlimmer: Sie folgen den dunkleren Impulsen des Kreml. Also fließt Blut, und die Polizei rührt OMON nicht an, denn die Schwarzen Barette sind die Polizei. Obgleich man sich fragen könnte, wie gut diese Supermänner wirklich sind. Was Geiselbefreiungen angeht - erinnern Sie sich an die Belagerung der Schule in Beslan? OMON hat diese Operation vermasselt, und Hunderte von Schulkindern sind gestorben. Hunderte!«
    »Möchten Sie sich irgendwo hinsetzen?«
    »Nein. Ich sage nicht, dass sie alle mies sind. Viele sind gut. Er war der Beste.« Ginsberg deutete mit dem Kopf zur Eingangshalle, wo Isakow erschienen war und offenbar ein paar beruhigende Worte sprach. »Alle in Schwarz-Blau. In Tschetschenien sahen sie aus wie Piraten mit Bärten, Halstüchern und Tätowierungen, und Isakow war der Piratenkapitän. Sie haben Isakow geliebt.«
    »Aber es gibt noch mehr?«
    » Es gibt immer noch mehr. So ist der Krieg. Es ist, als würde man in Säure getaucht. Früher oder später erwischt es dich. Es frisst dich auf.« Ginsberg zündete sich am Stummel seiner Zigarette eine neue an, eine heikle Operation. »Wieso interessieren Sie sich für Isakow?«
    Aus Neid, dachte Arkadi. Laut sagte er: »Isakows Name ist bei einer Ermittlung aufgetaucht. Aber das belastet ihn nicht unbedingt. »
    »Ist es eine interne Angelegenheit der Miliz?«
    »Ich kann Ihnen nichts weiter sagen.«
    »Wenn ja, kann ich Sie nur warnen. Isakow hat mächtige Freunde.«
    »Sagen wir einfach, ich möchte die Wahrheit wissen.« Ginsberg trat zurück, um Arkadi von Kopf bis Fuß zu mustern. »Ein Wahrheitssucher? Das hatte ich befürchtet. Als Nächstes wollen Sie ein Einhorn. Es gibt keine Wahrheit. Keine zwei Menschen sind sich über irgendetwas einig. Es gibt nur Versionen. Ich bin ein erstklassiges Beispiel: Ich bin nicht mal mit mir selber einig. Nehmen Sie zum Beispiel die Schlacht an der Sunscha-Brücke. Die eine Version beschreibt, wie sechs Schwarze Barette gegen fünfzig tschetschenische Terroristen gesiegt haben. In dieser Version tobt der Kampf an den Ufern der

Weitere Kostenlose Bücher