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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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sein würde, wenn er zurückkäme. Weniger, weil er sich zu ihr hingezogen fühlte er war eher neugierig. Etwas an ihr war ihm vertraut, etwas außer dem Skilaufen und dem Harfenspiel.
    Beim Wegfahren kam er an der Statue eines Clowns auf einem Einrad vorbei. Sie stand auf dem Boulevard und warb für den Zirkus. Im Schneegestöber ringsum sah es für Arkadi aus, als strampelte der Clown abwechselnd auf den Zirkuseingang und auf das Parteibüro zu und verneige sich bald vor dem Slapstick und bald vor der Farce.
    Im Gondoliere gab es Wandgemälde vom Canal Grande, aber das Restaurant lag in der Petrowka-Straße, einen halben Block weit von der Milizdirektion entfernt, und die Stammgäste waren Polizisten, die sich hier voll laufen ließen. An guten Tagen lautete die übliche Bestellung auf hundert Milliliter Wodka, an schlechten auf zweihundert. Die Stammgäste an der Bar wurden heute verstärkt durch OMON-Offiziere in ihren schwarz-blauen Tarnanzügen, die den Freispruch ihres wegen Mordes angeklagten ehemaligen Kameraden Igor Borodin feierten. Der Ruf nach dem »Pizzaservice!« rief jedes Mal großes Gelächter hervor, und der Lärm hatte Viktor in eine der hinteren Nischen vertrieben, wo er wie eine brütende Spinne hockte.
    Als Arkadi zu ihm kam, deutete Viktor auf den gewaltigen Abstand zwischen ihm und der Bar. »Ich hab das Gefühl, ich bin zu weit weg von der Titte meiner Mutter.«
    »Du scheinst doch versorgt zu sein.«
    Viktor legte schützend den Arm um eine Flasche.
    »Sie haben überhaupt kein Mitgefühl, Ermittler Renko. Sie sind ein gefühlloser Mensch. Wenn du an der Bar trinkst, ist die Flasche in Reichweite. Sitzt du hier hinten an einem Tisch, kannst du unter Umständen verdursten, ehe du bedient wirst. Die Geier könnten an deinen Knochen nagen, ohne dass jemand etwas merkt.«
    »Das ist eine traurige Vorstellung. Hast du den ganzen Tag so verbracht?«
    Viktor wandte sich an einen Unsichtbaren. »Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie selbstgefällig nüchterne Leute sein können?«
    Arkadi schaute zur Bar. Die Mehrzahl der Kriminalbeamten waren ältere Männer, ziemlich wortkarg, oft übergewichtig, mit Zigarettenasche vorn auf dem Pullover und einer Pistole hinten im Gürtel. Im Vergleich zu ihnen waren die Schwarzen Barette in ihren schwarz-blauen Anzügen mit den Pistolenhalftern jung und muskelbepackt. Zivilisten waren auch da, Frauen wie Männer, die den Kontakt zu Polizisten suchten, um ihnen ein Glas zu spendieren und eine Geschichte zu hören.
    »Ziemlich voll heute Abend.«
    »Freitag.«
    » Genau. » Es war immer gut, die Übersicht zu behalten, dachte Arkadi. »Und Internationaler Frauentag außerdem.«
    »Ich glaube nicht, dass ich Frauen kenne.«
    »Was ist mit Ljuba?«
    »Meine Frau? Nagle mich nicht auf Formalitäten fest.« Arkadi sah auf die Uhr. In fünf Minuten sollte er sich mit Ginsberg treffen. »Ich hoffe, du hast heute noch niemanden skalpiert. »
    »Nein, vielen Dank. Ich hab mir Selenskis Bänder angesehen … »
    »Das Stalin-Band oder den Porno?«
    » … und ein Foto der vier Prostituierten bei den Kollegen von der Sitte in Umlauf gebracht. Die vier, die Stalin auf dem Bahnsteig in der Metro gesehen haben. Keiner hat sie erkannt. Prostituierte und Zuhälter sind ziemlich streng, was ihr Revier angeht. Die Mädels müssen mit dem Fallschirm dort abgesprungen sem.«
    »Gut.« Das hätte Viktor ihm auch am Telefon sagen können, aber Arkadi wollte ihn motivieren.
    »Außerdem hatte ich den Verdacht, dass ein Tugendbolzen
    wie du sich den Porno nicht so gewissenhaft ansieht wie ich.«
    »Dir ist da sicher nichts entgangen.«
    »Erinnerst du dich an Skuratow?«
    »Ja.« Skuratow war ein Generalstaatsanwalt, der gedroht hatte, im Kreml wegen Korruption zu ermitteln. Man hatte ihm den Boden unter den Füßen weggezogen, indem ein Video aufgetaucht war, das jemanden, der aussah wie er, in der Sauna zeigte, wo er sich mit zwei nackten Mädchen vergnügte.«
    »Skuratow bestritt, dass er der Typ war, dem da die Ganzkörpermassage verpasst wurde, aber ein Oberspion namens Putin analysierte das Band und erklärte, Skuratow sei der Mann. Bald darauf haben wir einen neuen Generalstaatsanwalt, und der Oberspion ist Präsident. Wieder einmal dreht sich die Geschichte auf dem Arsch einer Frau. Die Moral: Man muss jedes Beweisstück untersuchen. Du weißt nie, wann oder wie du deine Chance bekommst.«
    Arkadi sah wieder auf die Uhr. »Ich muss los.«
    »Warte.« Viktor schnürte einen

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