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Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Oksanen
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gebees für Sofia Seidenstrümpfe und für die Haut von Sofias reizendem Gesicht Toilettenseife, Zucker und Mehl für den ganzen Winter, Öl für die Lampen, Kleiderstoffe für die Kinder, jetzt helfe der Bruder dem Bruder, worauf Arnold denn noch warte, er solle sich in Bewegung setzen und das Pferd anspannen, auch Schnaps gebe es dort so viel, dass man darin baden könnte, und Karla knufft Arnold in die Rippen. Sofia weiß, dass Arnold jetzt böse wird, und geht ins Haus. Durchs Küchenfenster sieht sie, wie Arnold sich Karla langsam nähert. Karla fängt an zu laufen, rennt weg. Arnold bleibt an der Pforte stehen.
    Sofia bringt die Kinder, Linda und Katariina, in die hintere Kammer und dorthin auch das Essen und sagt, dies sei ein Spiel. Dass die Kinder leise sein und essen und dann schlafen gehen müssen, ein Schlafspiel, und als die Kinder das gemacht haben, legt die Mutter sich neben sie schlafen, und sie brauchen nicht allein in der vorderen Kammer zu schlafen, sondern neben Mutter in Mutters Bett. Ist das nicht ein schönes Spiel?
    Sofia schließt die Tür und geht in die Küche, um für Arnold Proviant einzupacken.
    Gott sei Dank, dass Arnold Karla hat gehen lassen. Arnold muss sich sofort verstecken, für alle Fälle.
    Im Dorf heißt es später, dass Karlas Auto die Farbe von Blut habe, aber das ist Karla egal. In ähnlich gleichgültiger Weise hat er auch später mit seinem Bruder zu tun, grüßt ihn, wenn er ihm entgegenkommt, besucht ihn, wenn es Zeit ist, einen Besuch zu machen.
    Ein paar Jahre später schläft Arnold mit der Frau seines Bruders in der Scheune. Das macht ihn sehr zufrieden, und er erzählt es sofort Sofia, die ihn mit den Kindern zu Hause erwartet hat. Danach verbringt Arnold mit der Frau seines Bruders Elfriide noch viele angenehme Abende, wobei Elfriide das Glas vollschenkt, sobald es leer ist, und Elfriide muss lachen, und Arnold muss lachen, und sie haben es sehr schön. Der hochgewachsene und stattliche Arnold gefällt Elfriide viel besser als der kleinwüchsige und kinnlose Karla.

1949
    Am 5.   April 1949 unterschreibt Arnold ein Papier, mit dem er freiwillig seinen Besitz der landwirtschaftlichen Kollektivwirtschaft überlässt. Jetzt würden zumindest Sofia und die Kinder in Ruhe gelassen werden.
    Die nach Sibirien Verschleppten unterschreiben Papiere, in denen sie erklären, dass sie freiwillig nach Sibirien gehen.

ICH
HATTE
HUNGER.
    Ich musste zu Alko gehen.
    Ich hatte nicht genug Geld.
    Ich musste mir welches beschaffen.
    Um wenigstens die billigste Flasche und einen kleinen Rausch zu kriegen. Um keinen Hunger zu haben. Um nicht zu essen. Um nicht zu erbrechen. Denn dafür hatte ich jetzt keine Kraft.
    Mein Körper protestierte dagegen, dass jeder Tag ein Bulimietag war. Er schaffte das nicht. Er hing über dem Klosettbecken und schaffte es nicht, das zu tun, was er tun sollte. Er schaffte es nicht, und wenn ich mir sonst noch was in den Hals steckte. Auch ein Spaten hätte nichts genützt, und die Zahnbürste hätte nur gekratzt. Damit mein Körper es schaffte, musste ich zwischendurch Tage ohne Erbrechen haben, und da das Fasten nicht ohne Hilfsmittel klappte, brauchte ich für die Zwischentage Hilfsmittel, eine Flasche Wein oder Rum, einige Schlucke im Fahrstuhl, den letzten Tropfen aus dem Flachmann, bevor ich das Zimmer betrat, auch die guten alten Diapam gingen, aber andere Mittel wurden mir zunehmend lieber. Ich würde einen Geldschein zusammenrollen und mir damit ein paar Linien reinziehen und zugleich den Hunger beseitigen und mir das Essen aus dem Kopf schlagen, in meinem Kopf würde dann auch anderes Platz finden als der Kühlschrank, ich würde dann mühelos an den Lebensmittelläden vorübergehen können, und der Duft von Backwaren würde mirkeine kalten Schauer den Rücken hinunterjagen. Und ich würde glücklich sein. Ich würde lachen und tanzen, obwohl ich tagelang nichts gegessen und an Essen nicht einmal gedacht hatte.

DAS
SPEED
SCHMERZTE in den Brüsten.
    Die Nase blutete, und das eine Nasenloch war so verstopft, dass ich mir damit nichts reinziehen konnte.
    Ich musste dazu übergehen, stärkeren Haarlack zu benutzen, weil ich von dem Speed so stark schwitzte, dass der bisherige Lack versagte.
    Ich hatte ständig Durst.
    Ich wog fünfundvierzig Kilo, und das war fabelhaft, ganz fabelhaft beängstigend, entsetzlich beängstigend.
    Seit Monaten hatte ich nicht mehr geweint. Vielleicht hatte ich einfach alles Weinen ausgeschwitzt. So war es mir auch

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