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Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Oksanen
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es wichtig, dass ich jederzeit aufbrechen konnte. Dass ich immer gerüstet war. Ebenso wie ich bei der Oma den Pippi-Langstrumpf-Koffer aus Blech immer fest an mich gedrückt hielt, wenn ich Mutter aus dem Pilzwald zurückerwartete.
    Wenn ich mich auf eine geplante Reise begab, musste zusätzlich zu all dem noch vieles andere, ebenso Notwendige, mit, und das alles musste sich im Handgepäck befinden, denn man konnte nie wissen, wohin das übrige Gepäck geraten würde, falls es zum Beispiel gestohlen wurde oder verloren ging, Koffer wurden so leicht aus Versehen verwechselt, es konnte sonst was passieren. Das hatten mich im Verlauf der Jahre schon die Reisen in der Sowjetunion gelehrt. Und da man niemals sicher sein kann, ob man zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt, ist es das Beste, man hat so viel Reisegepäck, als kehrte man niemals zurück.

ES
WAR
UNSER letzter Streit.
    Am Tag zuvor hatte ich nichts gegessen außer der Schweizer Käsesuppe, die pro sieben Deziliter zweihundertzehn Kalorien enthielt. Auf der Tüte stand, dass sie fünf Deziliter, also zwei Portionen enthalte, aber ich tat mehr Wasser dazu, um mehr Suppe zu haben. Der niedrige Blutzucker erzeugte eine solche Spannung in meinem Kopf, dass der dröhnte. Rum und Pepsimax waren für diesen Zustand die passende Kombination, denn Pepsimax enthält kaum Kalorien, und gemeinsam beseitigen sie ausgezeichnet den Hunger – Alkohol und Kohlensäure. Nun hatte ich gute Laune.
    Hukka drehte einen Geldschein zur Röhre und zog vom Spiegel eine Linie Koks. Iggy Pop sang home, boy, home, boy, everybody needs a home. Es war Freitag, Göran rief an, eine Zufallsbekanntschaft von Hukka, er fragte Hukka nach Speed, kam dann auf einen Sprung vorbei und zündete sich neben mir auf der Fensterbank eine Zigarette an. Unten auf der Aleksis-Kivi-Straße patrouillierten ein paar Mädels und dieselben Kombiwagen wie an den anderen Tagen.
    Göran nahm den Breitopf vom Küchentisch und warf von dem Frühstücksbrei eine Handvoll auf die Straße, zielte, traf, lachte, zielte erneut, traf wieder, lachte die ganze Zeit. Hukka trat neben Göran, um zu sehen, was der da eigentlich trieb, wie er die Frauen, die unten am Straßenrand entlangstolzierten, mit Brei bewarf, auch Hukka grinste darüber, wie die Frauen in Deckung rannten und mit den Händen den Kopf schützten, am Straßenrand hielt ein Auto, aus demein Mädchen stieg, das von seinem Job kam, Hukka kratzte die letzten Breireste zusammen und schleuderte sie auf das Mädchen, Göran und Hukka mussten schrecklich lachen, ich ging aus dem Zimmer und setzte mich in die Küche, gleich darauf kam Hukka und holte aus dem Kühlschrank noch mehr Wurfgeschosse, Joghurt, saure Sahne und sauer gewordene Milch, lief zu Göran zurück und legte sich auf die Lauer … Manchmal konnten sie vor Lachen nicht zielen, vor Prusten nicht treffen, aber die Fehlwürfe waren fast ebenso lustig wie die Treffer, nach dem Gelächter zu urteilen, vielleicht sprangen die Mädchen ebenso davon, wenn etwas neben sie auf den Boden klatschte … Hukka rief, ich solle gucken kommen, aber ich setzte mich in die Sofaecke und aß die Salzkekse auf, und als sie alle waren, nahm ich Mantel und Tasche, ging hinaus auf den Korridor, und Hukka und Göran hatten es so lustig, dass sie mein Fortgehen gar nicht bemerkten.

ICH
HATTE
VERSPROCHEN , Hukka einen kleinen Wunsch zu erfüllen, obwohl ich noch nicht wusste, was es war. Natürlich, wir hatten ja ein Jubiläum … wir waren geschlagene anderthalb Jahre zusammen. Und auch Hukka hatte das Versprechen gehalten, dass wir heute nicht streiten, nicht über Unangenehmes sprechen würden, dass mir heute keine Fragen gestellt würden, die ich nicht beantworten konnte.
    Die Erfüllung des Wunsches war mein Geschenk an Hukka, aber für den Abend hatte ich auch Hukkas Lieblingsgericht Thunfischkuchen, mein Bravourstück, zubereitet. Im Lauf des Jahres hatte ich versucht, Hukka auch viele andere meiner Favoriten vorzusetzen, zehn verschiedene Sauerkrautgerichte und Chalwa, Meerrettichsoße und andere estnische Kindheitserinnerungen, aber Hukka lernte es nicht, sie zu schätzen, denn Hukka war nicht einmal so recht bereit, sie zu kosten. Hukka dagegen hatte mich dazu bewegen wollen, Saunawurst, Würstchen und Turkuer Senf zu essen, aber durch den Turkuer Senf, der Apfelmus enthält, lässt sich die Feurigkeit des estnischen Senfs nicht ersetzen. Eine Zeit lang füllte Hukka seinen Kühlschrank nur mit Brühwürsten in der

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