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S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone

S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone

Titel: S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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ans Telefon im Flur. Die Nummer, die er dort wählte, musste er von einer kleinen weißen Karte ablesen. Es handelte sich um die Visitenkarte von Susanne Reuter, der Beamtin des Auswärtigen Amtes, die er erst wenige Stunden zuvor kennen gelernt hatte.
    Alexander hatte keine Bedenken, sie noch so spät anzurufen. Im Gegenteil, er war sicher, dass sie hören wollte, was er ihr mitzuteilen hatte.

9.
    KRANKENZIMMER VON DAVID ROTHE
    NORDWESTKRANKENHAUS, 19. Juli 2004, 09:02 Uhr
    Jede Nacht sah er seine Eltern. Manchmal standen sie auf einer Straße in der Stillen Stadt, manchmal auf dem Parkplatz des Supermarktes, ab und zu auch hinter den Fenstern der Plattenbausiedlung. Immer, wenn David sie in seinen Träumen entdeckte, lief er ihnen entgegen, rief sie, winkte ihnen zu. Doch wenn er sich schließlich näherte, erkannte er jedes Mal, dass es gar nicht seine Eltern waren, sondern Fremde, die sich hinter ihren Gesichtern wie hinter Masken versteckten und auf ihn lauerten.
    „Ich will vor ihnen weglaufen, aber sie halten mich fest", sagte er. „Sie zerren an mir rum. Ich hab den Eindruck, sie wollen mich zerreißen."
    „Und dann?", fragte Irina Kuswekowa. Sie saß an einem Plastiktisch und machte sich mit einem Stift Notizen auf der Arbeitsfläche ihres PDA.
    „Dann wache ich auf." David verschränkte die Hände hinter dem Kopf und blickte zur Decke. „Ich träume jede Nacht davon."
    Irina - sie hatte ihn bei ihrem ersten Treffen gebeten, sie mit dem Vornamen anzureden - schob den Stift zurück in die Halterung. „Darüber würde ich mir keine Sorgen machen. Du bist traumatisiert, und dein Gehirn versucht die Erlebnisse, die du hattest, zu verarbeiten."
    „Wie denn, wenn ich mich an nichts erinnern kann?"
    „Deine Erinnerungen sind ja nicht ausgelöscht worden. Dein Gehirn hat nur den Zugang zu ihnen gesperrt, weil es im Augenblick keine Möglichkeit sieht, damit umzugehen. Alles, was du erlebt hast, befindet sich noch in deinem Kopf."
    Sie lächelte. Es war ein hübsches Lächeln, auch wenn Irina selbst nicht hübsch war. Sie hatte ihr dunkelblondes dünnes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, ein breites, blasses Gesicht und unreine Haut. Sie behauptete, achtundzwanzig Jahre alt zu sein, aber wenn David sie mit den Referendarinnen an seiner Schule verglich, erschien sie ihm deutlich älter.
    Irina war eine der psychologischen Beraterinnen des Krankenhauses, und es war ihre Aufgabe, über David und seinen geistigen Zustand zu urteilen. Bereits zum dritten Mal sprach sie an diesem Morgen mit ihm, aber zum ersten Mal hatte er den Eindruck, dass sie auf etwas Bestimmtes abzielte.
    „Wie fühlst du dich sonst?", fragte Irina. „Siehst du fern, liest du?"
    David setzte sich auf. „Ich würde wirklich gerne die Nachrichten sehen, aber alles, was ich auf diesem Kasten empfangen kann, sind Einkaufsprogramme und Schwarzweißfilme. Jeder, der CNN guckt, weiß mehr über dieses Unglück als ich - und ich war dabei!"
    Er spürte den Ärger in sich aufsteigen und unterdrückte ihn mühsam. Ich muss normal wirken, dachte er, sonst lassen sie mich hier nie raus.
    Irinas Blick glitt über sein Gesicht, versuchte seine Stimmung zu lesen. Dann sagte sie freundlich: „Die Ärzte und ich sind einer Meinung. Du solltest dich nicht zu viel mit dem Unglück befassen. In den Nachrichten wird ohnehin nur spekuliert. Niemand weiß, was passiert ist."
    Außer mir, fügte David in Gedanken hinzu. Er sah auf die Uhr. „Doktor Getman wollte um neun vorbeikommen. Er hat mir versprachen, dass er sich um meine Entlassung kümmert. Sind Sie deshalb hier?"
    „Nein."Irina klang plötzlich nervös. „Doktor Getman hat nichts damit zu tun."
    Sie zog den Stift wieder aus der Halterung des PDA und begann damit zu spielen. „Du hast bemerkenswerte Fortschritte gemacht, David", sagte sie einen Moment später, „alle deine Reaktionen, die ich bei unseren Treffen beobachtet habe, wirken normal. Trotzdem steht da etwas zwischen uns, etwas, das du vor mir verbirgst. Habe ich Recht?"
    Davids Herz schlug schneller. Und wie sie Recht hatte. Seit er zu sich "gekommen war, verbarg er seine Gefühle vor den Ärzten, den Schwestern und vor Marinin. Keiner von ihnen durfte erfahren, was wirklich in ihm vorging. So gut musste er sich unter Kontrolle haben.
    Er hob betont gleichmütig die Schultern. „Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich beantworte doch alle Ihre Fragen."
    „Ja", stimmte sie zu, „aber manchmal glaube ich, dass ich vielnicht die

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