S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone
grinsend.
Guba schüttelte den Kopf. Er hatte ein bartloses Babygesicht und dichtes schwarzes Haar. „Bin nicht zum Vergnügen hier, Alexander", antwortete er. „Ich brauche dringend einen Offizier, der zu einem Hof rausfährt, um die Streifenbeamten zu unterstützen. Aber wenn ich von vorne anrufe, geht keiner ans Telefon. Die sehen wohl die Nummer und können sich denken, dass sie arbeiten sollen. Also wollte ich sie von hier anrufen. Die Nummer kennen sie bestimmt nicht."
Marinin lehnte sich gegen den Türrahmen und zündete sich eine Zigarette an. „Hast du schon jemanden gefunden?"
„Nein."Guba sah ihn an. „Außer dir natürlich."
„Vergiss es, ich will auch mal nach Hause." Marinin zog ein Kaugummi aus seiner Jackentasche. Seit vier Monaten und zwölf Tagen rauchte er nicht mehr. Dabei sollte es auch bleiben. „Aber viel Glück bei der Suche."
Drei Schritte weit kam er, bevor Gubas Stimme ihn erneut aufhielt. „Der Hof liegt direkt an der Sicherheitszone."
Marinin blieb stehen.
„Es geht um Mord", fuhr Guba fort. „Und zwar nicht nur um ei."
Marinin trat zurück in das kleine Büro. Der Sergeant lehnte grinsend am Schreibtisch und wedelte mit einem Zettel. „Interesse?"
Beinahe widerwillig nahm Marinin ihm den Zettel aus der Hand und warf einen Blick darauf. „Mann, lakovlev, was hast du nur für eine Sauklaue. Was soll das heißen?"
Gubas Grinsen ließnicht nach. „Sudakov-Hof, liegt direkt neben der alten Kolchose. Weißt du, wo das ist?"
Marinin nickte langsam. Natürlich wusste er, wo das war. Er kannte jeden Quadratmeter rund um das verminte Gebiet, in das sich kein Mensch mehr wagen konnte.
Als die Scheinwerfer des Lada über Scheune und Haupthaus strichen, erkannte Marinin bereits zwei Dinge: zum einen, dass Wassily Sudakov nicht mit weltlichen Reichtümern gesegnet war, zum anderen, dass er aus dem Wenigen, das er besaß, versucht hatte, das Maximale zu machen.
Es war ein alter Bauernhof, Marinin schätzte aus dem neunzehnten, vielleicht sogar achtzehnten Jahrhundert. Das Haupthaus war ein gedrungener einstöckiger Bau, der zwischen hohen alten Kirschbäumen stand. Alle Fenster waren erleuchtet. Ihr Lichtschein erhellte einen gepflasterten Hof, einen Streifenwagen und ein offen stehendes Scheunentor. Darin sah Marinin einen alten, aber gepflegt wirkenden Traktor und sauber eingeordnetes Werkzeug. Sudakov schien seinen Besitz zu pflegen.
Marinin stieg aus und ging auf die Haustür zu. Sie war angelehnt. Dahinter hörte er leise Stimmen. Mit dem Fuß stieß er die Tür auf, um nicht mögliche Spuren an Rahmen und Klinke zu verwischen. Der Tatort war noch nicht gesichert worden, sonst hätte mehr als nur ein Streifenwagen im Hof gestanden.
Er trat in eine schmale Diele. Holzbohlen knarrten unter seinen Sohlen, an der Wand an einer selbst gemachten Garderobe hingen Mäntel und Kinderdaunenjacken. Darunter standen Gummistiefel und Turnschuhe in unterschiedlichen Größen. Der Geruch von gekochtem Kohl und Zwiebeln lag in der Luft, in ihn mischte sich jedoch etwas Schärferes, Beißendes.
Marinin ging auf die einzige Tür am Ende der Diele zu. Links von ihm führte eine Treppe nach oben, rechts ein offener Durchgang in ein Wohnzimmer. Eine Stehlampe, die neben einem alten Sofa stand, erhellte den Raum. Ein kleiner Fernseher lief ohne Ton, zeigte Eiskunstläufer, die stumm Pirouetten drehten. Ab und zu verschwanden sie hinter den dunklen Spritzern auf der Mattscheibe.
Die Leiche einer Frau lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Teppichboden, die Arme zum Fernseher ausgestreckt, als hätte sie dort hineinfliehen wollen. Eine Blutlache rahmte Kopf und Schultern ein. Der Hinterkopf war eingedrückt, die langen blonden Haare glänzten blutverschmiert. Marinin schätzte die Frau auf Mitte Dreißig.
Er wandte sich ab und ging zum Ende der Diele, zu der Tür, hinter der er die Stimmen hörte.
„Du perverses Schwein", hörte er ein dunkles Männerorgan sagen. „Was hast du dir dabei gedacht? Aufhängen sollte man dich, du Drecksau!"
„Boris, lass ihn in Ruhe. Ich hab keine Lust auf Stress." Die zweite Stimme klang heller und jünger als die erste.
„Recht hat er, Boris." Marinin kickte auch diese Tür mit dem Fußauf. „Hier hat keiner Lust auf Stress."
Mit einem Blick erfasste er die Situation. Vor ihm lag eine kleine Wohnküche. Im Zentrum stand ein großer, roh gezimmerter Holztisch, an dem mit gesenktem Haupt ein Mann saß. Er war groß und kräftig. Die Hände, die er vor
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