S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone
beschützen."
„Wovor wolltest du sie beschützen? Wollte ihnen jemand etwas tun?"
Sudakov drehte den Kopf zum Fenster und starrte in die schwarze Nacht. „Da draußen ... etwas hat sie gerufen, und sie sind ihm gefolgt. Zuerst Maria, dann Uliana, dann Petr."
Er brach ab. Marinin beugte sich weiter vor. „Etwas in der Zone hat sie gerufen?"
„Ja, es ging ihnen genauso wie diesem deutschen Jungen, der sich schon wieder hier rumtreibt. Der kann auch nicht anders. Der wird auch von etwas getrieben."
„David Rothe ist zurück?", fragte Marinin verblüfft. „Bist du sicher? Hast du ihn selbst gesehen?"
„Nein."Sudakov schüttelte müde den Kopf. „Aber einige der anderen Bauern. Manche geben ihm sogar zu essen, weil sie glauben, dass er das Böse fern hält. Ich nicht. Ich habe kaum genug, um meine eigene Familie zu ernähren."
„Deine Kinder", erinnerte Marinin. „Sie sind also in die Sperrgelaufen?"
„Ja. Ich bin ihnen gefolgt, um sie zurückzuholen. Ihre Mutter hat so geweint, den ganzen Tag über hat sie in der Küche gesessen und geweint."
! Seine Hand strich über die Tischplatte, als wolle er ihre Tränen [ wegwischen. „Also bin ich gegangen, in die Zone hinein. Sie waren da, ich hab sie gesehen ..." Sein Blick begann zu flackern, l seine Mundwinkel zuckten. „Sie standen im Gras, Maria, Uliana und Petr. Aber sie waren es nicht, nicht wirklich. Ihre Augen waren so leer, so furchtbar leer."
Volosheninov tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe und schüttelte den Kopf. Marinin ging nicht darauf ein.
„Und dann bist du zurückgegangen?", fragte er.
Sudakovs Blick kehrte in die Gegenwart zurück. „Ja. Die Zone wollte mich nicht, aber sie wollte die anderen, Gridia und die Jungs. Sie standen in der Tür, als ich zurückkam."
Er sah Marinin flehend an. „Das konnte ich ihnen doch nicht antun. Ich musste sie doch beschützen."
Sudakov bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Sein ganzer Körper zitterte.
„Deshalb hast du die Schaufel genommen, nicht wahr?" Marisprach leise und ruhig. „Du hast zuerst Gridia erschlagen, weil sie die Stärkste war und sie dich geschlagen hat."
Innerlich entschuldigte sich Marinin bei Boris. Er hatte die Spuren der Schläge falsch gelesen.
„Als sie sah, dass du stärker warst, hat sie versucht durch das Wohnzimmer zu fliehen. Und da hast du zugeschlagen."
Sudakov nickte hinter seinen Händen. „Sie wollte durchs Fenster."
„Währenddessen sind die Kinder nach oben gelaufen. Wieso nach oben, wieso nicht durch die Tür nach draußen?"
Die Fragen schienen Sudakov zu beruhigen. „Ich hatte den Riegel vorgeschoben. Sie waren zu klein, um ranzukommen."
Marinin unterdrückte ein Schaudern, als er an die Kinder dachte, die ihre Hände nach der unerreichbaren Freiheit ausstreckten, während ihr Vater ein Zimmer entfernt die Mutter erschlug.
„Sie wollten durch das Fenster in ihrem Zimmer am Kirschbaum herunterklettern. Das haben sie nicht zum ersten Mal gemacht."
„Aber du hast sie vorher erwischt, Wassily, nicht wahr?"
„Ja."Sudakov nahm die Hände vom Gesicht. Seine Wangen wagerötet und tränennass. „Es ging so schnell. Sie hätten längst schlafen sollen, also hab ich sie ins Bett gebracht."
Er machte eine Pause. „Das war das Einzige, was ich für sie tun konnte."
„Sie ins Bett bringen?", hakte Marinin nach, aber der Bauer schüttelte den Kopf.
„Sie töten. Nur so konnte ich sie vor der Zone beschützen. Es war der einzige Weg." Sein Blick fand sein Gegenüber. „Es war doch der einzige Weg, oder?"
In seiner Stimme lag ein Flehen, dem sich Marinin nicht entziehen konnte.
„Ja, Wassily, es war der einzige Weg."
Marinin lehnte rauchend an der Eingangstür, als die uniformierte Verstärkung Sudakov wenig später abführte. Sie hatten ihm eine Zwangsjacke und Fußfesseln angelegt.
„Immer mehr Irre", hörte Marinin einen älteren Sergeanten namens Ruslan sagen. „Das ganze Land verfällt dem Wahnsinn."
Marinin kannte Ruslan seit Jahren. Der Sergeant war streng gläubiger Christ und Antialkoholiker. Zu Sowjetzeiten hatten seine Vorgesetzten ihn misstrauisch beäugt und kalt gestellt. Jetzt war er zu alt, um noch Karriere zu machen. Die Verbitterung hatte tiefe Falten in sein Gesicht gegraben.
„Was ist los?", fragte Marinin, als Ruslan die Türen des Gefanschloss. „Viel Ärger in letzter Zeit?" Er versuchte nicht zu neugierig zu klingen. Ruslan war vorsichtig. Wenn er glaubte, man wolle ihn aushorchen, sagte er gar
Weitere Kostenlose Bücher