S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone
Seitenblick miteinander verständigt hatten, kamen sie der Forderung nach und schnallten sogar ihre Gürtelholster mit den Automatikpistolen ab.
Beide trugen 9 mm Sig Sauer, die übliche Standardbewaffnung.
Im Rover befand sich vermutlich noch eine Heckler & Koch MP5. Wenn die beiden in eine Straßensperre des ukrainischen Militärs gerieten, würden sie eine Menge zu erklären haben. Sofern man ihnen noch die Zeit dafür ließ.
Den Oberkörper nur noch mit einem dünnen T-Shirt bedeckt, nahmen sie einen prall gefüllten Rucksack auf und kamen David entgegen. Angesichts der knapp über dem Gefrierpunkt liegenden Temperaturen mussten sie frieren. Doch sie zitterten nicht und ließen sich auch sonst keine Schwäche anmerken.
Beide waren Anfang Dreißig, hatten Durchschnittsgesichter und einen athletischen Körperbau. Offiziell arbeiteten sie als Außendienstmitarbeiter für eine Firma namens US Eastera Exports, bei der es sich allerdings um eine Tarnorganisation der CIA handelte, die in ganz Osteuropa operierte.
David ging ihnen durch einen steil zu beiden Seiten aufragenden Einschnitt entgegen, der auf einem vorgelagerten, Gras bewachsenen Absatz endete. Im Sommer hätte er sich nie durch diesen Engpass gewagt, um nicht von nachrutschendem Erdreich begraben zu werden. Doch jetzt, da noch überall Frost im Boden steckte, schien ihm der Weg sicher genug.
An der vorderen Kante angekommen, nahm er das Seil vom Karabinerhaken, behielt ein Ende in der Hand und warf das andere in die Tiefe. Dann hockte er sich hin, das entsicherte Gewehr auf dem linken Knie und jederzeit bereit, einen Schuss abzufeuern.
„Warum so misstrauisch?", fragte Murphy. „Wenn wir nicht kooperieren, sondern dich entführen wollten, hätten wir schon bessere Gelegenheiten dazu gehabt."
Das stimmte, wenn auch nur bedingt. Auf deutschem Boden hielt der BND seine schützende Hand über David. Natürlich nur um den Preis von Informationen, den er zu zahlen hatte.
„Ich habe halt so meine Erfahrungen", antwortete er verbittert. „Entweder wir spielen zu meinen Bedingungen oder gar nicht. Den Rucksack bitte."
Murphy nahm das zugeworfene Seilende auf, zögerte aber, es an einen der Tragegurte zu binden.
„Ich hoffe, du hast uns etwas zu erzählen", sagte er. „Der Kram hier drin ist nicht gerade billig."
Da war sie wieder - die Gier nach Informationen. Nur ihr war es wohl zu verdanken, dass David noch nicht der Schädel aufgeflext und sein Hirn in Scheibchen geschnitten worden war. Grenzübergreifend herrschte aus irgendeinem Grund Einigkeit darüber, dass er lebend und in Freiheit am wertvollsten war. Selbst das hiesige Militär ließihn immer wieder nur abschieben, wohl wissend, dass sein Tod einen internationalen Eklat ausgelöst hätte.
„Oberst Pynsenyk ist längst nicht mehr Herr der Lage", erklärer Murphy. „Seine Truppen haben die Sperrzone zwar umstellt,wagen sich aber nicht mehr hinein. Innerhalb des Gebiets, insbesondere rund um das Kraftwerk, wimmelt es von Gravitationsminen, die sich von keinem bekannten Suchgerät aufspüren lassen. Niemand weiß, wer sie verlegt, aber es werden von Tag zu Tag mehr. Auf dem Weg hierher habe ich erst wieder die Kadaver einiger Tiere entdeckt, die es zerrissen hat."
Letzteres war eine glatte Lüge, würde die beiden CIA-Agenten aber hoffentlich davon abhalten, ihm heimlich zu folgen.
„Das ist alles nichts Neues", riss ihn Murphy aus den Gedanken. „Die Kraftwerksbesatzung kocht schon lange ihr eigenes Süppchen. Selbst in Kiew kann man die Augen nicht mehr davor verschließen. Wäre die Hauptstadt nicht so stark von dem hier produzierten Strom abhängig und hätten nicht alle Angst vor einer neuen Kettenreaktion, wären die Reaktorblöcke längst gestürmt worden."
David nickte, denn diese Informationen waren korrekt. Inzwischen hatten selbst Journalisten davon Wind bekommen, dass der Regierung in Kiew mit einer Reaktorüberhitzung gedroht worden war.
„Die Truppen setzen mittlerweile darauf, das Kraftwerk aus", fuhr er fort. „Kurz nach Weihnachten wurden sämtliche Versorgungswege unterbrochen, doch die Belegschaft hält immer noch durch. Und ich weiß auch warum."
In Murphys Augen flackerte es verräterisch auf. Er versuchte zwar sofort, seine Neugier zu bezähmen, doch es gelang ihm nicht. David sah deutlich, dass das Interesse des Agenten geweckt war. Und er spürte es, mit der seltsamen Intuition, die ihm seit jenem denkwürdigen Tag in der Stillen Stadt zur Verfügung
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