S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone
Lichtung. Linker Hand verschimmelten mehrere Lagen auf Länge geschnittener Baumstämme, die kein Waldarbeiter mehr zur Weiterverarbeitung abholen würde. Marinin machte sich deshalb keine Gedanken. Ihn interessierte nur eine zwei mal zwei Meter große Stelle aus niedergetretenen Halmen inmitten der Lichtung.
Eigentlich war die Wildnis nicht sein Revier. Er jagte keine Tiere, sondern Menschen und das meistens in den Betonschluchten von Tschernobyl. Trotzdem entdeckte er einen kleinen Stiefelabdruck im feuchten Boden.
Maria, Uliana und Petr hatten hier also tatsächlich eine Weile beisammen gestanden. Orientierungslos und mit leerem Blick, bis sie von einem Ruf oder etwas anderem tiefer in die Zone gelockt worden waren.
Marinin folgte einer kleinen Schneise aus niedergetretenem Gras, die bis zur gegenüber liegenden Baumgrenze führte. Dort wog er einen Moment lang die vor ihm liegenden Risiken ab und entschied dann, weiterzugehen. So lange er den Spuren der Kinder folgte, konnte ihm nicht viel passieren.
Bereits nach einigen hundert Metern begann sich der Baumbestand zu lichten. Dahinter folgten ausgedehnte Wiesen, vollkommen verwildert und von Bachläufen durchzogen. Vereinzelte Birken boten den einzig attraktiven Blickfang, ansonsten wucherten hier nur niedrige Dornensträucher, Büsche und Weiden.
Von den drei Kindern war weit und breit nichts zu sehen, nicht mal der schmutzige Zipfel einer Kapuze. Nur eine schwach sichtbare Schneise im Gras lockte zum Weitergehen. Marinin zögerte erneut, fasste sich dann aber ein Herz und folgte der Spur. Er war einfach schon zu oft gescheitert, um nicht auch die kleinste Chance beim Schopf zu packen.
Hier auf dieser freien, den ganzen Tag von der Sonne beschienenen Fläche stand die Natur voll im Saft. Hier strotzte das Gras vor sattem Grün, hier richteten sich niedergetretene Halme rasch wieder auf. Schon nach einem Dutzend Schritten war der Pfad der Kinder kaum noch auszumachen. Anfangs ging Marinin einfach geradeaus weiter, doch als er auf eine in die Erde gesprengte Kehle stieß, um die herum die verwesten Reste eines Wildschweins verstreut lagen, blieb er wie angewurzelt stehen.
Verdammt! Spuren einer ausgelösten Gravitationsmine, aber nicht der kleinste Fußabdruck im Mutterboden ... Die Kinder waren unbemerkt abgebogen, und er stand nun orientierungslos im verminten Niemandsland.
Alexander unterdrückte einen leisen Fluch, der ihm über die Lippen zu schlüpfen drohte. Schweiß nässte seine Achseln, während er sich mit kleinen Schritten um die eigene Achse drehte, um nach etwas Hilfreichem Ausschau zu halten. In weiter Ferne entdeckte er die Silhouette eines Wellblechdachs. Es gehörte zu einem verlassenen Betonwerk, das er noch aus seiner Kindheit kannte.
Das einzige Anzeichen einer menschlichen Behausung, aber dorthin zu gehen wäre purer Wahnsinn. Bei seiner Drehung fiel ihm außerdem eine überwucherte Rindertränke auf, kaum zwanzig Meter entfernt. Wenn er sich auf ihre Betoneinfassung stellte, entdeckte er vielleicht wieder die Spur der Kindergruppe. Einen Versuch war es wohl wert, und falls er nichts einbrachte, kehrte er eben exakt auf dem gleichen Weg zurück, auf dem er gekommen war.
Mit einem flauen Gefühl im Magen schlug Marinin die neue Richtung ein. Zwanzig Meter durch vermintes Terrain! Das war beinahe so tückisch wie Russisches Roulette.
Der Major redete sich ein, dass man dieses Risiko ruhig eingehen durfte und zuckte umso heftiger zusammen, als er plötzlich von hinten angerufen wurde.
„Halt! Keinen Schritt weiter!"
Marinin griff an sein Gürtelholster und wirbelte auf dem Absatz herum. Mit einer tausend Mal geübten, längst in Fleisch und Blut übergegangenen Bewegung schob er Jackensaum und Pullover in die Höhe und langte nach seiner PMM ... hielt aber abrupt inne, als die bewaffnete Person, die aus dem gegenüber liegenden Waldstück trat, demonstrativ die Gewehrmündung zu Boden senkte.
„Keine weitere Bewegung!", rief der mit Tarnhosen und grauAnorak bekleidete Mann. „Es ist zu Ihrem eigenen Besten." Seine Stimme klang fest und entschlossen, aber auch unüberhörbar jung. Zu jung für einen abgebrühten Söldner. Heilige Maria! Das war doch wohl nicht...
Doch, wahrhaftig!
Marinin schaute vorsichtshalber ein zweites Mal hin, war dann aber sicher, dass es sich um keinen anderen als David Rothe handelte.
Der brünierte Waffenstahl klebte plötzlich unangenehm kalt an seinen Fingerkuppen. Rasch nahm er die Hand von der
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