S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone
Gravitationsminen war jeder Fluchtversuch von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Zum Glück erklang nirgendwo Hundegeheul. Entweder hatten sie im Betonwerk alle blinden Bestien erwischt, oder sie hielten sich von diesem Abschnitt der Zone fern.
Die Schmuggler schienen keine außergewöhnlichen Gefahren zu fürchten. Nur jeder Zweite hielt sein Gewehr schussbereit in Händen, die anderen trugen es über der Schulter. Von Zeit zu Zeit stoppte der Tross, um in die Nacht hinauszulauschen. Ganz still war es nie. Manchmal drang ein Knacken oder Rascheln an ihre Ohren, doch wenn sie in die betreffende Richtung leuchteten, gab es nie etwas zu sehen.
Nicht mal ein flüchtendes Kaninchen.
„Sie sollten sich Ihren nächsten Schritt gut überlegen", warnte Marinin bei einer dieser Gelegenheiten. „Die Abteilung für Schwerkriminalität ist über jeden meiner Schritte informiert.
Wenn ich morgen früh nicht gesund und munter zum Dienst antrete, gibt es für Sie keinen sicheren Platz mehr in der Ukraine."
Oleg lachte. „Netter Versuch, Major", sagte er, kurz von seinem Plan aufschauend. „Aber wenn irgendeiner Ihrer Kollegen, egal wer, von Ihrem Alleingang wüsste, wäre ich längst darüber informiert. Was glauben Sie, warum Sie bisher noch nicht aus dem Weg geräumt wurden? Weil Sie ganz alleine stehen, deshalb!"
Die Worte trafen Marinin härter als Faustschläge. Nicht nur, weil Oleg völlig von sich überzeugt wirkte, sondern auch, weil er selbst am besten wüsste, dass er tatsächlich keinerlei offizielle Unterstützung zu erwarten hatte.
Voller Grimm starrte er in die Nacht hinaus, während Oleg den abgeknickten Mast eines Windrads als neue Geländemarke anpeilte.
Schweigend setzte sich derTross wieder in Bewegung.
Marinin konnte jetzt nur noch auf David setzen. Auch wenn die Chance, dass er sie hier aufstöberte, verschwindend gering war.
Verzweifelt sah er nach links und rechts, in der Hoffnung, ihn vielleicht irgendwo zu entdecken. Einmal glaubte Marinin sogar, einen menschlichen Schatten am Rand seines Sichtfeldes zu entdecken. Doch als er den Kopf wandte, um die Stelle genauer zu fixieren, war dort nichts mehr zu entdecken.
Ärgerlich korrigierte er alle Hoffnungen nach unten. Es war einfach Unsinn, auf fremde Hilfe zu hoffen. Er musste sich schon etwas einfallen lassen, um seine Haut zu retten.
Nur was?
Im Schatten des umgeknickten Mastes ließ Oleg den Tross anhalten. Auf einen kurzen Wink hin nahm man den Amerikanern die Säcke ab. Die Gesichter, die darunter zum Vorschein kamen, waren scharf geschnitten und ungeheuer jung.
Beide Männer waren höchstens Anfang dreißig.
Marinin kannte sie vom Sehen. Es waren Außendienstmitarbeiter der US Eastern Exports, der Tarnfirma des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes.
Die beiden waren geknebelt, deshalb konnten sie nicht sprechen, doch ihre weit aufgerissenen Augen zeigten deutlich, dass sie Todesängste ausstanden.
Marinins Knie begannen ebenfalls zu zittern, als Oleg die PMM aus dem Gürtel zog, die sie ihm abgenommen hatten.
„Darf ich vorstellen?", sagte der Schmuggler und begann in alRuhe einen Schalldämpfer auf die Dienstwaffe zu schrauben. „Patrick Murphy und John Turner, die vermutlich schlechtesten CIA-Agenten westlich des Urals."
Ein metallisches Knirschen hallte durch die Nacht, als der Schalldämpfer fest aufsaß. Oleg entsicherte die Waffe und fuchtelte mit ihr in Richtung der Amerikaner. Die Schmuggler an seiner Seite mussten schon seit Jahren unter ihm dienen, denn sie wussten sofort, was er von ihnen wollte.
Rasch nahmen sie den Amerikanern die Knebel ab und traten zur Seite.
„Vorsicht!", warnte Murphy, während sein Kompagnon noch einige an seiner Zunge klebende Baumwollfussel ausspuckte. „Unsere Firma weißganz genau, welchen Fall wir untersuchen. Bei uns gibt es keine Unterwanderung durch -"
Ein dumpfer Klang, nicht lauter als ein Fausthieb, schnitt ihm das Wort ab. Der Schalldämpfer leistete gute Dienste, obwohl eine zwanzig Zentimeter lange Feuerlanze aus der Mündung schlug.
Oleg lenkte die Kugel präzise in Murphys linkes Knie. Der CIA-Agent kreischte hell auf, als sein Bein zur Seite knickte.
„Nicht schreien, ja?", forderte Oleg ihn angewidert auf. „Ich erwarte, dass wir die Angelegenheit wie Profis durchziehen."
Murphy hörte ihm nicht zu. Auf sein gesundes Knie gestützt, sah er zu dem zerschossenen Bein, das in einem unnatürlichen Winkel zur Seite abstand. Er musste höllische Schmerzen erleiden, doch
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