S.T.A.L.K.E.R. 03 - Apokalypse
ausgeübt worden, indem man ihr Leben bedrohte. Und natürlich das ihrer Angehörigen. Selbst die Flucht nach Schweden, eine Heirat und viele glückliche Familienjahre schützten die Betroffenen nicht davor, von der eigenen Vergangenheit eingeholt zu werden.
So war es ihrer Mutter ergangen. Sei vorsichtig, Kim! Schon beim bloßen Gedanken, dass Dobrynin sie in seinen Unterlagen als Geliebte kleine Marina bezeichnete, spürte Kim Übelkeit in sich aufsteigen. Doch nun hatte sie es endlich schwarz auf weiß: Ihre Mutter war nicht verschwunden, weil sie ihrer eigenen Familie überdrüssig geworden war, sondern weil sie ihren Ehemann und die gemeinsame Tochter schützen wollte. Vor Anschlägen, die nicht einmal eine Hundertschaft an Polizisten verhüten konnte.
Wenn ihr Vater das doch nur gewusst hätte, dann hätte es ihm vielleicht nicht das Herz gebrochen. Du musst fliehen! Er ist schon in deiner Nähe! Doch Davids Familie war noch viel schlimmer mitgespielt worden. Großversuch, hatte Dobrynin sein Memo selbstherrlich überschrieben. Und darunter: Teleportation einer Personengruppe. Stolz verkündete er im Text, dass den Zielpersonen der Wunsch eingepflanzt wurde, die alte Heimat zu besichtigen. Dobrynin ließ sich seitenweise darüber aus, welche Erkenntnisse sich durch diesen spektakularen Coup gewinnen ließen.
Dass der Versuch in einem beispiellosen Fiasko geendet hatte, behandelte er dagegen nur mit wenigen Sätzen. Und strich dabei noch heraus, dass die beiden entführten Telepathen, Davids Mutter und ein Mann aus der Oberpfalz, einsatzfähig geblieben waren.
Kim! Er steht längst hinter dir!
Ihre Empörung war so groß, dass sie die Stimme ihrer Mutter überhörte. Doch das laute Schniefen, das in ihrem Rücken erklang, ließ sie sofort herumfahren. Dabei entfielen die Blätter ihren Händen. Nicht vor Schreck, sondern weil sie nach dem neben ihr liegenden Skalpell langte.
Dobrynin, der noch das kleine Metallröhrchen in der Hand hielt, hatte für die Waffe nur ein Lächeln übrig.
„Und da heißt es immer, Drogen wären ungesund", sagte er, bevor er sich über den Spiegel beugte und die zweite Pulverlinie einsog. „Dabei ist es nur diesem kleinen Vorrat hier zu verdanken, dass ich deine Flucht bemerkt habe. Und ohne dich würde es hier allen bald bedeutend schlechter gehen."
Seine Pupillen schrumpften auf die Größe von Stecknadel-köpfen zusammen, während er sich die Nasenlöcher massierte. Danach hob er die Pistole in seiner rechten Hand lässig in den Schulteranschlag. Eine gut gepflegte Kora, durchgeladen und entsichert. Der Professor wusste, wie man eine Waffe bediente. Das sah Kim schon an der Art, wie er auf sie zielte.
„Mieses Schwein!", begrüßte sie ihn.
„Das klingt aber nicht sehr kooperativ." Er legte das Röhrchen zurück auf den Spiegel. „Ich bedauere das sehr, denn ich hätte Sie gerne freiwillig im Boot, Fräulein Raika. Schon Ihrer Mutter wegen. Sie müssen wissen, das Marina und ich stets eine ... wie soll ich sagen ... besonders gute Beziehung zueinander hatten."
Kim hob drohend das Skalpell an, obwohl sie wusste, dass das nur lächerlich auf ihn wirkte.
Dobrynin schüttelte bedauernd den Kopf, verlangte aber nicht, dass sie die Klinge beiseitelegte. Lieber fasste er mit der freien Linken stützend unter die Waffenhand. Zwei Kilo brünierter Stahl konnten auf Dauer ganz schön schwer werden. Besonders am ausgestreckten Arm.
„Ich muss leider auf Ihrer sofortigen Mitarbeit bestehen." „Vergiss es."
„Wenn Sie eine Schublade höher angefangen hätten, wüssten Sie, dass die Zone das Ergebnis eines Misserfolges ist. Zugegeben, es gibt da draußen einen Haufen schöner Artefakte, die sich untersuchen und vervielfältigen lassen. Aber wir haben es auch mit einem Dimensionsriss zu tun, der unter Kontrolle gehalten werden muss, sonst dehnt sich die Zone weiter aus. Ich möchte Sie bitten, sich sofort dem Kollektiv anzuschließen. Ich brauche dringend wieder die volle Kontrolle über die Noosphäre, oder ich kann für die Sicherheit der Menschen in dieser Gegend nicht mehr garantieren. Ein Kollaps der labilen Verhältnisse würde womöglich zu einer Ausdehnung bis Kiew führen. Oder noch viel weiter! Schlimmstenfalls könnte es zu einer weltumspannenden Katastrophe kommen. Möchten Sie wirklich die Schuld an solch einer Apokalypse tragen?"
Kim lachte verächtlich. „Ich habe doch diesen Wahnsinn hier nicht aufgezogen."
„Aber derzeit sind Sie die Einzige, die ihn
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