Star Trek - Destiny 02 - Gewöhnliche Sterbliche
sicher, ob er scherzte, es ernst meinte oder nur besonders begriffsstutzig war.
»Sozusagen«, antwortete sie. »Mir bleibt wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit, Inyx.«
Eine Düsternis senkte sich über ihn. »Sie meinen, dass Sie sterben.«
»Ich würde es nicht gleich so ausdrücken«, sagte sie. »Ich sage ja nicht, dass ich an der Schwelle des Todes stehe, um Himmels willen. Aber mein Körper nutzt sich langsam ab. Das ist Teil des Lebens, Inyx. Alles, was lebt, muss irgendwann sterben.«
»Ja«, sagte er. »Irgendwann. Aber einige sterben früher als andere, und viele, bevor sie sollten oder müssten.«
Hernandez nickte. »Auf der Erde nennen wir das Schicksal.« Sie streckte ihre Hand aus und legte sie auf seinen knochigen, grauen Arm. »Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beunruhigen, indem ich das Thema Sterben anschneide.«
Seine Stimme klang leiser, weicher als gewöhnlich. »Ich würde es bevorzugen, wenn Sie es nicht täten.«
»Darüber sprechen?«
»Nein«, sagte er. »Sterben.«
Seine Ernsthaftigkeit brachte sie fast zum Lachen. »Nichts gegen Sie und Ihre Superspielzeuge, aber ich glaube nicht, dass das Ihre Entscheidung ist.«
»Sie haben absolut recht«, sagte er. »Es ist Ihre.«
Es waren mehrere Wochen, möglicherweise sogar Monate vergangen, seit sich ein Schatten über Fletchers Freundschaft zu Erika gesenkt hatte. Wenn sie auch weiterhin in Quartieren im gleichen Hof wohnten, gab sich Fletcher seit Sidras grotesker Entweihung durch die ungetestete Caeliar-Technik und Erikas getrübtem Urteilsvermögen Mühe, den Kontakt mit ihrem Captain zu vermeiden.
Immer wenn Fletcher Erika allein im Hof essen sah, verschanzte sie sich in ihrem Quartier, bis die andere Frau fort war, zweifellos zu einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Caeliar-Wissenschaftler in seiner Sternwarte. Ein paar Wochen zuvor war Fletcher nach Erikas Aufbruch aufgefallen, dass einer der weißen Bauern auf dem Schachbrett, das sie geschnitzt hatte, von seiner Ausgangsposition auf c2 nach c4 verschoben worden war.
Aha, hatte Fletcher gedacht. Sie will also spielen.
Da sie nicht geneigt gewesen war, Erikas zaghaftem Versuch einer Kontaktaufnahme nachzugeben, hatte sie das Brett und die Spielfiguren wieder in ihr Quartier gebracht und in einem Spind verstaut.
Der Gedanke an das Schachspiel in ihrem Schrank nagte seitdem an ihr – bis zu dem Punkt, als sie wiederkehrende Träume von Schach bekam. In einem spielte sie gegen einen verhüllten Gegner. Das Ergebnis, das wusste sie, war vorherbestimmt. Es zu Ende zu spielen, nur noch eine Formalität. Sie versuchte, die unausweichliche Niederlage locker zu sehen.
In einem anderen Albtraum war sie eine Figur auf dem Brett gewesen und hatte versucht, ihre Macht als Dame einzusetzen und um diagonal zu hüpfen, um einen hochmütigen Läufer zur Strecke zu bringen. Doch sie stolperte und fiel über ihre eigenen Füße. Als sich ein Springer zu ihr hinabbückte, um ihr aufzuhelfen, lachte er. »Was hast du dir dabei gedacht?«, sagte er. »Du weißt doch, dass sich Bauern nicht diagonal bewegen können, außer, um anzugreifen, aber hier ist doch niemand in deiner Reichweite.«
Es gab so viele Varianten ihrer nächtlichen Träumereien, wie es Schachstrategien gab. Sie sah hinunter und bemerkte, dass alle Figuren fort waren, bis auf den König, der dort vollkommen schutzlos stand. Oder ihr König verriet seine eigene Armee und brachte sie einen nach dem anderen zu Fall. Oder sie nahm eine Figur, um sie zu bewegen, und stellte fest, dass all ihre Stücke aus Sand geformt waren, der zwischen ihren Fingern zerfiel und vom flüsternden Wind davongetragen wurde.
Ihre Figuren brannten und verwandelten sich in Asche. Sie rebellierten und schnitten ihr in die Fingerspitzen. Das gesamte Brett wurde schwarz, verwandelte sich in ein Loch und alle Figuren, ob weiß oder schwarz, fielen hinein und verschwanden in der Leere des Nichts.
An diesem Tag erwachte Fletcher, öffnete ihre Augen und biss die Zähne zusammen, da sie die Krämpfe und Schmerzen inzwischen zwar als alte Freunde ansah, ihre Gesellschaft allerdings immer noch unausstehlich fand. Aus Mangel an Alternativen tolerierte sie sie aber. Da sie im Hof keine Spur von Erika ausmachen konnte und auch kein Licht im Quartier der anderen Frau sah, nahm Fletcher das Spiel aus ihrem Schrank, brachte es nach draußen zum Tisch in der Mitte des Hofes und stellte es mit den weißen Figuren vor sich auf.
Dann wartete sie.
Gedankenverloren
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