Star Trek - New Frontier 01 - Kartenhaus
Möglichkeit, dass Beverly genau wusste, was ihre vulkanische Kollegin beschäftigte. Aber sie hatte Selars Privatsphäre respektiert und keine weiteren Fragen gestellt.
Also war es kein Problem gewesen, Urlaub zu bekommen und eine Transportmöglichkeit nach Vulkan zu organisieren.
Es gab allerdings ein anderes Problem, und das hieß Voltak. Voltak war ihr Gatte, ihr Partner. Und sie konnte sich nur noch sehr vage an Voltak erinnern.
Trotz ihres Triebes, trotz ihrer Begierde gab es im Kern des
Pon Farr
etwas, das sie als äußerst entmutigend empfand, und dabei handelte es sich im Wesentlichen um Angst. Nie zuvor in ihrem Leben hatte Dr. Selar sich so verletzlich gefühlt. Um genau zu sein, hatte sie sich überhaupt noch nie verletzlich gefühlt. Sie war immer begabt, kompetent und bestens qualifiziert gewesen. Doch nachdem nun ihr Innerstes entblößt war, sodass, wie sie glaubte, alle Welt es sehen konnte, wurde sie dazu getrieben, sich mit jemandem zu paaren, den sie kaum kannte. Sicher, sie hatten Korrespondenz gepflegt, so weit ihre und seine Arbeitsbelastung es ermöglicht hatte, denn Voltak hatte genau wie sie ein eigenes Leben und eigene Aufgaben. Voltak war Archäologe und führte an den unterschiedlichsten Orten seine Ausgrabungen durch, häufig an solchen, an denen Kommunikationsmöglichkeiten nicht gerade zu den Selbstverständlichkeiten gehörten.
Es war eine kindische und naive Einstellung, aber Selar hatte trotzdem den Eindruck, dass die ganze Situation irgendwie ungerecht wirkte. Sie lebte als Individualistin, genauso wie die meisten Vulkanier, und jetzt sollte sie ihre Individualität aufgeben, auf Distanz und Privatsphäre verzichten und sich völlig einem männlichen Wesen offenbaren, das für sie bestenfalls ein entfernter Bekannter war.
Und das machte ihr Angst. Wenn sie sich in ihrem normalen Geisteszustand befand, kam sie mit Angst recht mühelos zurecht. Doch darüber hinaus war sie kaum darauf vorbereitet, selbst die flüchtigsten Emotionen zu bewältigen, ganz zu schweigen von der Empfindung namenlosen Entsetzens.
Die folgenden Stunden waren für sie nur ein verschwommenes Etwas, ein rötlicher Nebel. Am Raumhafen wurde sie von Giniv abgeholt, einer alten Freundin, die für sie sozusagen die Funktion der »Brautjungfer« übernommen hatte. Giniv begleitete sie zu einem großen Saal. Wie es die Tradition verlangte, waren ihre Eltern nicht anwesend. Man erachtete es als unangemessen, wenn Eltern ihre Kinder in jener Phase zu Gesicht bekamen, in der sie ihre nackte, entfesselte Sexualität auslebten.
Sie spürte ihn, noch bevor sie ihn sah. Sie drehte sich um und erkannte, dass Voltak durch den hinteren Eingang des Raumes eintrat.
Voltak war groß und stark, und obwohl er gleichermaßen unter dem Einfluss des
Pon Farr
stand, gelang es ihm, bis zu einem gewissen Grad Haltung zu bewahren. Etwas Intensives strahlte von ihm aus und zog sie wie ein Leuchtfeuer an. Es war ihr nicht nur unmöglich, dem zu widerstehen, sie hatte auch gar nicht den Wunsch, es zu tun. Ihre gesamte Begierde galt ihm, nur noch ihm.
»Voltak«, sagte sie mit tiefer und voller Stimme. »Ich wurde gerufen. Ich bin gekommen.«
Als sie in seine Augen sah, erkannte sie zu ihrer Verblüffung, dass er sich vor ihrer Begegnung mit ähnlichen Zweifeln wie sie herumgeschlagen hatte. Seltsamerweise war es ihr niemals in den Sinn gekommen, dass ein Mann von solchen Sorgen bewegt werden könnte. Aber es war keineswegs undenkbar. Voltak war mindestens genauso stolz und selbstbewusst wie Selar und damit für dieselben Befürchtungen anfällig.
Doch das Gefühl der Beklommenheit verflüchtigte sich in dem Moment, als sie sich gegenseitig in die Augen blickten. Man hatte sie im zartesten Kindesalter miteinander verbunden, sodass sie beide sich gar nicht mehr an die Zeremonie erinnern konnten. Doch nun kehrte die Erinnerung schlagartig zurück, als die Verbindung, die vor vielen Jahren zwischen ihnen geknüpft worden war, mit einem Mal ihre volle Kraft entfaltete.
Selar liebte ihn. Sie liebte ihn, sie begehrte ihn, sie brauchte ihn. Ihr Leben wäre ohne ihn nicht mehr vollständig. Sie wusste nicht, ob diese Gefühle aufrichtig waren oder sich nur auf die Hitze des
Pon Farr
zurückführen ließen. Doch letztlich kümmerte es sie nicht. Sie wollte nur noch Voltaks Körper an ihrem spüren, damit sie sich vereinigen und paaren konnten, um die Pflichten zu erfüllen, die ihr Volk und ihre Biologie ihnen auferlegt hatten.
Die Angst
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