Star Trek Voyager06 - Die Ermordete Sonn
auf Natas Stimme konzentrieren, ohne von den übersetzten Worten abgelenkt zu werden. Der Gesang klang herrlich, zeichnete sich durch eine beschwingte, harmonische Melodie aus. Die sanfte Stimme der Viha eignete sich gut dazu, ein Kind in den Schlaf zu singen.
Schließlich beendete Nata das Lied und neigte den Kopf, in stummer Trauer um das, was verloren war oder bald verloren sein würde.
Chakotay zögerte, steckte den Insignienkommunikator wieder an seinen Uniformpulli und sang ein Navaho-Lied mit dem Titel >Lied des jungen Kriegsgottes<.
»Ich bin beim Ende der Erde gewesen. Ich bin beim Ende des Wassers gewesen. Ich bin beim Ende des Himmels gewesen. Ich bin beim Ende der Berge gewesen. Und ich fand niemanden, der nicht zu meinen Freunden zählte.«
Nata drehte ruckartig den Kopf und richtete einen überraschten Blick auf den Ersten Offizier der Voyager . Die Perlen in ihrem langen weißen Haar tanzten hin und her. Die Viha war nicht nur vollkommen verblüfft, sondern auch sehr erfreut. Verstehendes Schweigen herrschte zwischen ihnen, als sie den Weg fortsetzten.
Nach etwa einem halben Kilometer führte der Pfad nach oben. Es fiel Chakotay zunehmender schwerer, einen Fuß vor den anderen zu setzen, doch seine Gedanken weilten nicht bei den protestierenden Muskeln. Statt dessen dachte er an die verunischen Geschichten, an den Gesang der Viha und seine Reaktion darauf. Und er dachte auch an die Akerianer.
»Bei einem Zweig meines Volkes, den Cherokee, gibt es eine Legende«, sagte er nach einer Weile. »Sie berichtet vom >sanften Volk<, den Nunnehi, die unter der Erdoberfläche lebten. Eines Tages erschienen sie den Cherokee und warnten vor einer großen, schrecklichen Katastrophe.«
Nata wandte sich Chakotay zu, als sie begriff, daß er eine eigene Geschichte erzählte. Interesse leuchtete in ihren Augen.
»Die Nunnehi boten den Cherokee an, bei ihnen in Höhlen zu wohnen«, fuhr der Erste Offizier fort. »Sie rollten einen Stein beiseite, und dahinter erstreckte sich ein so schöner und einladender Ort, daß die Cherokee bereit waren, das Angebot der Nunnehi anzunehmen. Doch eine Gruppe blieb zurück. Der Häuptling fragte sie nach dem Grund dafür, und daraufhin sprachen die Alten: >Dies ist unsere Heimat, und hier wollen wir sterben. < Die Jungen erwiderten: >Hier möchten wir unsere Kinder zur Welt bringen. Hier sollen sie leben, so wie wir.< Der Häuptling wußte, daß der Rest des Volkes bei den Nunnehi in Sicherheit war, und deshalb beschloß er, sich jenen anzuschließen, die draußen bleiben wollten.«
»Kam es zu der Katastrophe?« fragte Nata.
Chakotay nickte. »Ein anderes Volk erschien und entschied, daß die Cherokee nicht mehr dort leben durften, wo sie seit dem Beginn der Welt gelebt hatten. Diese Leute zwangen die Cherokee, Hunderte von Kilometern weit zu Fuß zu gehen, zu einem sogenannten Reservat, das ihnen eine neue Heimat sein sollte.« Es zeigte sich kein Zorn in Chakotays Gesicht. Er hatte vergeben, wie die meisten Angehörigen seines Volkes. Aber er konnte und wollte nicht vergessen. Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist dazu verdammt, ihre Fehler zu wiederholen.
»Viele starben während des langen Marsches: Frauen, Kinder, die Alten und Kranken. Es gab kaum genug Zeit, die Toten zu begraben. >Weg der Tränen< - so nennen ihn die Cherokee. Mein Volk hat nicht vergessen, was damals geschah. Sie sehen also, Viha: Ich teile Ihren Schmerz. Zwar wurde der Weg der Tränen vor sechshundert Jahren beschritten, und Ihr Volk leidet hier und jetzt, aber ich verstehe trotzdem.«
Nata schwieg und ging mit kraftvollen Bewegungen. Schließlich fragte sie: »Was wurde aus den Leuten, die sich den Nunnehi hinzugesellten?«
»Man sah sie nie wieder. Aber wir haben keinen Grund zu der Annahme, daß sie unglücklich waren.«
Die Viha dachte nach und versuchte, eine Verbindung zur aktuellen Situation zu schaffen. »Wenn das, was wir hier sehen, der Weg der Tränen aus Ihrer Geschichte ist… dann sind wir nicht die Cherokee, die zurückblieben, um zu leiden. Wir sind vielmehr jene Cherokee, die dem Schrecken durch das großzügige Angebot der Nunnehi entgingen.«
Nata blieb stehen und musterte Chakotay. »Was ich Ihnen jetzt zeige, gilt bei meinem Volk als außerordentlich heilig. Ihnen wird somit eine große Ehre zuteil.«
Der Erste Offizier neigte den Kopf. »Dafür danke ich Ihnen sehr«, erwiderte er ernst.
»Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom Ersten Ort. Er repräsentiert unsere
Weitere Kostenlose Bücher