Star Trek Voyager06 - Die Ermordete Sonn
Seele. Vor langer, langer Zeit gab er uns Obdach und Schutz, bis wir ihn schließlich verlassen konnten, um die reichen Gaben dieser Welt zu genießen. Ich komme oft hierher und sitze auf dem Gipfel, zu dem ich Sie nun führe.«
Die alte Verunierin reckte den Hals und blickte zu einem großen Felsen. »Ich frage mich, ob wir nicht hierher zurückkehren sollten, da unsere Sonne stirbt. Der Erste Ort hat uns schon einmal geschützt, wenn man den Geschichten glauben darf - und ich glaube ihnen. Vielleicht bietet er uns auch diesmal Zuflucht und Sicherheit.«
Erneut wandte sie sich Chakotay zu, und nicht zum erstenmal bemerkte er, daß in Körper und Geist der Verunierin latente Kraft schlummerte. Nata war ebenso sanft wie ihr Volk. Die Verunier ernährten sich von Knollen, Wurzeln und Obst, nicht von Fleisch. Für sie schien es weder innere noch äußere Zwietracht gegeben zu haben - bis die Akerianer kamen, um ihre Sonne zu ermorden und Veruna Vier damit Tod zu bringen. Gleichzeitig war Nata groß, stark und in eine Aura fast gefährlich wirkender Schönheit gehüllt.
»Kommen Sie, Chakotay. Sehen Sie nun den Ersten Ort, denken Sie über ihn nach und berichten Sie mir von Ihren Gedanken.«
Eine sonderbare Unruhe erfaßte Chakotay. Diese Art von Nervosität hatte er zum letztenmal als Heranwachsender gespürt, als er zusammen mit seinem Vater die tropischen Regenwälder der Erde besuchte, um mehr über die Ursprünge seines Stammes zu erfahren. Jene Welt und ihre Bewohner waren ihm fremd erschienen - ihm, dem >Rebellen<, der den Traditionen skeptisch gegenüberstand und das moderne Starfleet-Universum vorzog. Es kam einer Ironie des Schicksals gleich, daß ihn die damals getroffene Wahl hierher geführt hatte, zu einer anderen Welt, zu einer neuen Herausforderung.
Herausforderung…
Du bist ein Lehrer. Und gleichzeitig bist du ein Schüler. Du lehrst die Kultur deines Volkes, und das ist nicht schwer. Weitaus schwieriger dürfte es sein, die Kultur eines dir unbekannten Volkes zu lehren.
Wie soll ich etwas lehren, über das ich nicht Bescheid weiß?
Das ist eine Herausforderung, nicht wahr?
Erneut spürte er sie, seine Seelenfreundin. Sie wartete, gerade außerhalb seiner Reichweite, in jenem Kosmos, der sich hinter seiner Stirn erstreckte. Sie war ein Teil davon, leistete ihm immer Gesellschaft, und gleichzeitig besaß sie eine von ihm separate Unabhängigkeit.
Das Herz pochte Chakotay bis zum Hals empor, und es lag nicht nur an der körperlichen Anstrengung.
Er erreichte den Felsen und blickte in das sich dahinter erstreckende Tal.
Der Erste Ort war mehrere Kilometer lang und streckte dünne weiße Arme in vier Richtungen. Am Ende dieser Arme beobachtete Chakotay gewölbte Strukturen, jede von ihnen mindestens doppelt so groß wie Natas Dorf. Weißes Metall glänzte in der Sonne.
… die Kultur eines dir unbekannten Volkes zu lehren.
Jetzt begriff er, was in diesen Worten zum Ausdruck kam. Vor dem inneren Auge sah er, wie seine Seelenfreundin nickte, als er die einzelnen Mosaiksteine zu einem einheitlichen Bild zusammenfügte. Zwar hatte er den Ersten Ort nie zuvor erblickt, aber er wußte ihn besser zu deuten als Nata, die ihn täglich besuchte.
»Das ist ein Kolonieschiff, Viha«, sagte er leise.
Kapitel 10
Die Sieg war repariert und mit neuem Treibstoff versorgt worden. Ein zweites Schiff sollte sie begleiten, mit einer Besatzung, die bei der neuerlichen Konfrontation mit dem Feind nicht versagen würde, wie Linneas hoffte. In einigen Stunden wollten sie zum verunischen Sonnensystem aufbrechen.
Garai freute sich darüber, daß man ihn zum Ersten Krieger und Kommandanten des neuen Reichsexplorationskorps-Kreuzers Zerstörer befördert hatte. Seine Rolle beschränkte sich also nicht mehr darauf, der zuverlässige Assistent von Linneas zu sein. Er brauchte nicht mehr zuzusehen, wie sich Linneas über banale Dinge aufregte oder unwichtige Verstöße brutal bestrafte. Er mußte auch nicht mehr mit anhören, wie Linneas die Kaiserin belog.
Dem Kaiser oder der Kaiserin die Unwahrheit zu sagen… Es geschah seit Jahrhunderten. Nur einige wenige Herrscher waren hart genug - oder weise genug, wie Garai fand - gewesen, um zu erfahren, welchen Preis man für den Ruhm von Segen zahlen mußte: Sklavenarbeit und den Tod einer Sonne.
Nicht viele, nur einige wenige. Meistens blieb das Wissen um die Hintergründe allein dem Militär vorbehalten. Zwar kam es inzwischen einer Tradition gleich, aber dadurch wurde es
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