Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
angekommen war. Er war bei weitem nicht betrunken, aber ganz nüchtern war er ebenso wenig.
Doch Anna wollte noch nicht gehen. «Wusstest du, Ethan, dass Starbuck nicht tanzen kann?» Sie stellte diese Frage nicht aus Boshaftigkeit, sondern einfach um etwas zu sagen.
Ridley warf Starbuck einen kurzen Blick zu. «Das wundert mich nicht. Yankees sind ohnehin zu kaum etwas zu gebrauchen. Außer zum Predigen, vielleicht.» Ridley lachte. «Und für Vermählungen. Wie ich höre, kann er gut Leute verheiraten.»
«Leute verheiraten?», fragte Anna, und während sie das sagte, schien Ridley aufzugehen, dass er sich verplaudert hatte. Doch er hatte keine Gelegenheit, seine Worte zurückzunehmen oder zu berichtigen, denn Starbuck sprang an Anna vorbei und packte Ridley an seinem Kreuzbandelier. Anna schrie auf, als Starbuck Ridley dicht an sich heranzerrte.
Beinahe zwanzig Männer drehten sich auf diesen Schrei hin nach ihnen um, doch Starbuck kümmerte ihre Aufmerksamkeit nicht. «Was hast du da gesagt, verdammter Hurensohn?», forderte er Ridley heraus.
Ridley war blass geworden. «Lass mich los, du Affe.»
«Was hast du gesagt?»
«Ich habe gesagt, lass mich los!» Ridleys Stimme war laut. Er tastete am Gürtel nach dem Holster seines Revolvers.
Adam rannte auf die beiden Männer zu. «Nate!» Er nahm Starbucks Hand und zog sie sanft von Ridleys Gurtzeug weg. «Geh, Ethan», sagte Adam und schlug Ridleys Hand von dem Revolver weg. Ridley bewegte sich nicht, offenkundig wollte er den Streit fortsetzen, doch Adam wiederholte seine Anweisung noch einmal in schärferem Ton. Die Auseinandersetzung war kurz, aber dramatisch genug gewesen, um einen Schauer der Erregung durch die große Menschenmenge um die Tanzfläche laufen zu lassen.
Ridley trat zurück. «Willst du jetzt ein Duell, Reverend?»
«Geh!» Adam zeigte eine erstaunliche Autorität. «Wir haben alle zu viel getrunken», sagte er laut genug, um die Neugierde der Zuschauer zu befriedigen. «Und jetzt geh!», befahl er Ridley erneut und sah dem großen Mann nach, als er sich mit Anna am Arm entfernte. «Also, worum ging es eben?», wollte Adam von Starbuck wissen.
«Um gar nichts», sagte Starbuck. Washington Faulconer sah von der anderen Seite des Rasens stirnrunzelnd zu ihnen herüber, aber das kümmerte Starbuck nicht. Er hatte sich einen Feind gemacht und war selbst erstaunt von dem glühenden Hass, der ihn erfüllte. «Es war überhaupt nichts», betonte er Adam gegenüber trotzdem.
Das wollte Adam nicht glauben. «Sag’s mir!»
«Es war nichts. Ich hab’s dir doch gesagt, es war überhaupt nichts.» Außer dass Ridley offenkundig von diesem Zerrbild einer Trauzeremonie wusste, das Starbuck für Decker und Sally durchgeführt hatte. Diese Trauung war ein Geheimnis geblieben. Niemand in der Legion wusste davon. Truslow hatte nie darüber geredet, was an jenem Abend passiert war, genauso wenig wie Decker oder Starbuck, und doch wusste Ridley davon, und nur ein Mensch konnte ihm davon erzählt haben, und dieser Mensch war Sally. Was bedeutete, dass Ridley gelogen hatte, als er schwor, er hätte Sally seit ihrer Heirat nicht gesehen. Starbuck wandte sich an Adam. «Würdest du etwas für mich tun?»
«Das weißt du doch.»
«Bring deinen Vater dazu, mich nach Richmond zu schicken. Wie du das machst, ist mir egal. Lass dir einen Auftrag für mich einfallen und sorg dafür, dass er mich hinschickt.»
«Ich werd’s versuchen. Aber bitte erzähl mir warum.»
Schweigend ging Starbuck ein paar Schritte. Er erinnerte sich an ein ähnliches Gefühl aus den qualvollen Nächten, in denen er vor der Lyceum Hall in New Haven verzweifelt auf Dominiques Auftauchen gewartet hatte. «Stell dir vor», sagte er schließlich zu Adam, «jemand hätte dich um Hilfe gebeten, und du hättest diese Hilfe versprochen, und dann hättest du Grund zu der Annahme, dass der betreffende Mensch in Schwierigkeiten ist. Was würdest du dann tun?»
«Ich würde ihm natürlich helfen», sagte Adam.
«Dann verschaffe mir eine Möglichkeit, nach Richmond zu kommen.» Es war natürlich Wahnsinn, und das wusste Starbuck. Das Mädchen bedeutete ihm nichts, er bedeutete Sally nichts, und doch war er ein weiteres Mal bereit, genau wie in New Haven, sein ganzes Leben auf eine Karte zu setzen. Er wusste, dass es Sünde war, Sally so nachzulaufen, wie er es tat, aber zu wissen, dass er mit der Sünde spielte, machte es nicht einfacher, ihr zu widerstehen. Und er wollte ihr auch gar nicht
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