Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
dass er kein gefährlicher Radikaler ist. In Wahrheit ist er einfach ein reicher kleiner Junge, der nicht ganz erwachsen geworden ist, und ich bin keineswegs sicher, dass sich hinter dieser glänzenden Fassade noch etwas anderes verbirgt als ein Überfluss an Geld.»
«Er hat mich gut behandelt.»
«Und er wird Sie weiter gut behandeln, solange Sie ihn bewundern. Aber danach?» Delaney nahm ein silbernes Obstmesserchen und zog es spielerisch an seiner Kehle vorbei. «Lieber Gott im Himmel, ist das heiß heute Abend.» Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und breitete die Arme aus. «Vergangenen Sommer hatte ich geschäftlich in Charleston zu tun, und dort habe ich in einem Haus zu Abend gegessen, in dem jeder Platz bei Tisch mit einem Sklaven ausgestattet war, der uns Luft zufächeln sollte. Diese Sitte ist für Richmond ein bisschen übertrieben, Gott sei’s geklagt.» Er plauderte weiter, sprach von seinen Reisen in South Carolina und Georgia, während Starbuck an seinem Hammel herumpickte, zu viel Wein trank, ein wenig Apfelkuchen probierte und schließlich den Teller von sich schob.
«Eine Zigarette?», bot Delaney an. «Oder eine Zigarre? Oder lehnen Sie das Rauchen immer noch ab? Für diese Ablehnung sind Sie recht jung. Tabak hat große Linderungskräfte. Unser Himmlischer Vater muss, glaube ich, jedem Ding auf Erden einen besonderen Nutzen für den Menschen zugedacht haben, und deshalb hat er uns Wein gegeben, um uns anzuregen, Brandy, um unsere Gemüter zu erhitzen, und Tabak, um uns zu beruhigen. Hier.» Delaney war zu seinem silbernen Humidor hinübergegangen, schnitt die Spitze einer Zigarre ab und reichte sie Starbuck. «Zünden Sie sich die Zigarre an, und dann erzählen Sie, was Sie plagt.» Delaney wusste, dass etwas ganz Außergewöhnliches Starbuck zu diesem verzweifelten Besuch getrieben haben musste. Der Junge wirkte ja beinahe fiebrig.
Starbuck ließ sich durch das Versprechen zu der Zigarre überreden, sie habe eine beruhigende Wirkung. Seine Augen brannten von dem Rauch, und an dem bitteren Geschmack erstickte er beinahe, aber er hielt durch. Alles andere hätte bedeutet, sich nicht als erwachsener Mann zu zeigen, und an diesem Abend, an dem er sich, das wusste er selbst, wie ein Halbwüchsiger benahm, brauchte er die äußeren Insignien des Erwachsenseins. «Glauben Sie», fragte er als verkürzte Einleitung zu der delikaten Angelegenheit, die ihn zu Delaney geführt hatte, «dass auch der Teufel etwas auf die Erde gebracht hat? Um uns in die Falle zu locken?»
Delaney zündete sich eine Zigarette an und lächelte wissend. «Also, wer ist sie?»
Starbuck sagte nichts. Er fühlte sich wie ein vollkommener Narr, aber es war ein unwiderstehlicher Drang, der ihn zu diesem törichten Handeln trieb, derselbe, der ihn dazu genötigt hatte, für Dominique Demarest seine ursprüngliche Lebensperspektive zu zerstören. Washington Faulconer hatte ihm erklärt, solch zerstörerische Leidenschaften seien eine bei jungen Männern weit verbreitete Krankheit, doch sofern das stimmte, war es eine Krankheit, die Starbuck weder kurieren noch lindern konnte, und nun trieb sie ihn dazu, sich auch vor diesem klugen Anwalt, der so geduldig auf seine Antwort wartete, zum Narren zu machen. Starbuck schwieg noch eine Weile, doch schließlich begriff er, dass ihm diese Verschleppungstaktik nichts brachte, und er verriet, um wen es ging. «Ihr Name lautet Sally Truslow.»
Über Delaneys Gesicht ging der Hauch eines diskreten Lächelns. «Sprechen Sie weiter.»
Starbuck erschauerte geradezu. Das übrige Amerika wartete gespannt auf die drohende Schlacht, wartete auf den schrecklichen Moment, in dem die Spaltung sie alle in ein Meer von Blut hinabreißen würde, doch alles, was er tun konnte, war, für ein Mädchen zu zittern, dem er nur einen wenig überzeugenden Abend lang begegnet war. «Ich dachte, sie könnte hierhergekommen sein. In dieses Haus», sagte er lahm.
Delaney blies eine lange Rauchwolke aus, die das Kerzenlicht auf dem polierten Esstisch flackern ließ. «Ich rieche, dass mein Bruder etwas damit zu tun hat. Erzählen Sie mir alles.»
Und Starbuck erzählte ihm alles, und die Erzählung erschien ihm erbärmlich, ebenso jämmerlich wie die an jenem Tag, an dem er Washington Faulconer seine Dummheiten gebeichtet hatte. Nun sprach er zögernd von dem Versprechen, das er an einem dämmrigen Abend gegeben hatte, von einer Leidenschaft, die er nicht recht beschreiben und nicht rechtfertigen und
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