Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
Diese Notwendigkeit lastete schwer auf Starbucks Gewissen, jedenfalls zu den Zeiten, wenn er es sich gestattete, an den Diebstahl von Major Trabells Geld zu denken. Noch wenige Stunden zuvor, als er seine Rückkehr in den Norden plante, hatte er sich selbst davon überzeugt, dass er nichts sehnlicher wollte, als Trabell das Geld zurückzuzahlen, doch nun, wo Adam zu Hause war, wollte Starbuck nichts sehnlicher, als in Virginia zu bleiben. «Ich wünschte bloß, ich wüsste, wie», sagte er unbestimmt.
«Ich glaube, du solltest nach Hause gehen», schlug Adam nachdrücklich vor, «und das Verhältnis zu deiner Familie in Ordnung bringen.»
Genau das hatte Starbuck in den vergangenen beiden Tagen auch gedacht, doch nun zögerte er angesichts dieses vernünftigen Plans. «Du kennst meinen Vater nicht.»
«Wie kann sich ein Mann vor dem eigenen Vater fürchten und gleichzeitig denken, er würde furchtlos in die Schlacht ziehen?»
Starbuck lächelte kurz, um Adams schlagfertige Replik zu würdigen, dann schüttelte er den Kopf. «Ich will nicht nach Hause gehen.»
«Können wir denn immer tun, was wir wollen? Es gibt auch noch Pflicht und Schuldigkeit.»
«Vielleicht ist ja gar nicht alles falschgelaufen, als ich Dominique kennengelernt habe», sagte Starbuck und lenkte damit von den ernsten Worten seines Freundes ab. «Vielleicht ist schon alles schiefgegangen, als ich nach Yale ging. Oder als ich zugestimmt habe, mich taufen zu lassen. Ich habe mich nie als Christ gefühlt, Adam. Ich hätte Vater nie erlauben sollen, mich zu taufen. Ich hätte mich nie von ihm ins Priesterseminar schicken lassen dürfen. Ich habe eine Lüge gelebt.» Er dachte an seine Gebete am Grab Emily Truslows und errötete. «Ich glaube nicht einmal, dass ich bekehrt bin. Ich bin überhaupt kein richtiger Christ.»
«Gewiss bist du das!» Adam war schockiert über Starbucks Renegatentum.
«Nein», beharrte Starbuck. «Ich wünschte, ich wäre es. Ich habe andere Männer gesehen, die bekehrt wurden. Ich habe ihr Glück gesehen und das Wirken des Heiligen Geistes in ihnen erkannt, aber an mir habe ich so etwas nie empfunden. Ich wollte es, ich wollte es immer so sehr.» Er hielt inne. Starbuck wusste außer Adam niemanden, mit dem er so reden konnte. Der gute, rechtschaffene Adam, er war wie Christians Freund Faithful in John Bunyans Pilgerreise zur seligen Ewigkeit . «Mein Gott, Adam», fuhr Starbuck fort, «wie sehr habe ich um die Bekehrung gebetet! Ich habe darum gebettelt! Aber ich habe sie nie erfahren. Ich glaube, vielleicht wenn ich errettet worden wäre, wenn ich wiedergeboren wäre, hätte ich die Kraft, der Begierde zu widerstehen, aber das wurde ich nicht, und ich weiß nicht, wo ich diese Stärke finden soll.» Es war eine ehrliche, mitleiderregende Beichte. Er war in dem Geist erzogen worden, dass nichts in seinem Leben, nicht einmal sein Leben selbst, so wichtig war wie die Notwendigkeit der Bekehrung. Die Bekehrung, so war Starbuck gelehrt worden, war der Augenblick, in dem der Mensch in Christo wiedergeboren wurde, dieser wundersame Moment, in dem ein Mann Jesus Christus als seinen Herrn und Retter in sein Herz einließ, und wenn ein Mann diesen wunderbaren Eintritt erlaubte, dann würde nichts mehr so sein wie zuvor, denn das gesamte Leben und die gesamte darauffolgende Ewigkeit würde in ein strahlendes Dasein verwandelt. Ohne diese Errettung war das Leben nichts als Sünde und Hölle und Enttäuschung, und mit ihr war es Freude, Liebe und die ewige Seligkeit.
Nur dass Starbuck diesen Moment der mystischen Bekehrung nie erfahren hatte. Niemals hatte er überirdische Freuden erlebt. Er hatte so getan, als ob, denn nur mit dieser Heuchelei konnte er das Beharren seines Vaters auf Erlösung befriedigen. Doch seit dieser Heuchelei war sein ganzes Leben eine Lüge gewesen. «Und da ist noch etwas Schlimmeres», bekannte er Adam nun. «Ich beginne zu argwöhnen, dass die wahre Erlösung, die wahre Freude gar nicht in der Erfahrung der Bekehrung liegt, sondern darin, die gesamte Vorstellung davon aufzugeben. Vielleicht werde ich nur glücklich, wenn ich diesen ganzen Kult ablehnen kann.»
«Mein Gott», sagte Adam, entsetzt beim bloßen Gedanken an eine solche Gottlosigkeit. Er dachte einen Moment nach. «Ich glaube nicht», fuhr er dann langsam fort, «dass die Bekehrung von einem äußeren Einfluss abhängt. Du darfst keine magische Verwandlung erwarten, Nate. Die wahre Bekehrung erfolgt aus innerem Entschluss.»
«Du
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