Starbuck. Der Verräter (German Edition)
ihn. Gillespie sah ausdruckslos zu, als der schlaffe und stinkende Körper des Nordstaatlers aus dem Raum getragen wurde, um in seiner Zelle abgeladen zu werden, und dann eilte der Lieutenant, verärgert über die Verspätung, die er nun hatte, zu seinem Bibelkreis, der sich regelmäßig zur Mittagszeit in der nahe gelegenen Universalist Church traf.
Während Starbuck in der feuchten Kälte lag und wimmerte.
Zögernd, wie ein schweres Tier, das sich nach einem langen Schlaf erhebt, rückte die Rebellenarmee von ihren Stellungen um Culpeper Court House aus. Sie bewegte sich langsam und vorsichtig, denn General Johnston hielt es für möglich, dass der Norden ein großangelegtes Täuschungsmanöver vorbereitete. Vielleicht war die laut angekündigte Fahrt der großen Schiffe von Alexandria nach Fort Monroe nur Theater, damit er seine Truppen auf die schwache Seite von Richmond verlegte. Solch eine Kriegslist würde die Straßen Nordvirginias für den echten Angriff der Union freimachen, und, weil er genau diese Art der Irreführung erwartete, schickte Johnston Kavallerie-Patrouillen bis weit in die Countys Fauqier und Prince William hinein und dann noch weiter nach Norden in den Loudoun County. Die Männer der Partisanenbrigaden, die erschöpften Reiter, deren Aufgabe es war, sich hinter der Armee zu halten und möglichen Eindringlingen aus dem Norden das Leben schwerzumachen, überquerten den Potomac nach Maryland, doch sämtliche Patrouillen kamen mit derselben Nachricht zurück. Die Yankees waren weg. Die Verteidigungsstellungen um Washington waren voll bemannt, ebenso wie die Forts zum Schutz der Nordstaatenenklave im Fairfax County von Virginia, aber die Feldarmee des Nordens war verschwunden. Der neue Napoleon würde auf der Halbinsel angreifen.
Die Brigade Faulconer war unter den Ersten, die in die Umgebung von Richmond beordert wurden. Washington Faulconer rief Major Bird zu sich, um ihm die Befehle zu erteilen. «Ist es nicht Swynyard, der deinen Laufburschen spielen sollte?», fragte Bird.
«Er ruht sich gerade aus», sagte Faulconer.
«Du meinst, er ist betrunken.»
«Unsinn, Pecker.» Washington Faulconer trug seinen neuen Uniformrock mit den lorbeerumkränzten Sternen eines Brigadegenerals auf dem Kragen. «Er langweilt sich. Er will, dass etwas passiert. Der Mann ist Soldat.»
«Der Mann ist ein trunksüchtiger Irrer», sagte Bird. «Gestern wollte er Tony Murphy in die Arrestzelle stecken lassen, weil er ihn nicht gegrüßt hat.»
«Captain Murphy hat eine rebellische Ader», sagte Faulconer.
«Ich dachte, eine rebellische Ader wird von uns allen erwartet», stellte Bird fest. «Ich sage dir, Faulconer, der Mann ist ein Suffkopf. Man hat dich reingelegt.»
Aber Washington Faulconer hatte nicht vor, einen Fehler zuzugeben. Er wusste genauso gut wie jeder andere, dass Griffin Swynyard eine alkoholgetränkte Katastrophe war, aber mit dieser Katastrophe musste man es eben aushalten, bis sich die Brigade Faulconer in der Schlacht einen Namen gemacht und damit ihrem Kommandanten die Freiheit verschafft hatte, sich über den Einfluss des Richmonder
Examiners
hinwegzusetzen. Die Zeitung lag aufgeschlagen vor Faulconer auf dem Klapptisch. «Hast du schon das Neueste über Starbuck gelesen?»
Bird hatte weder die Zeitung gesehen noch irgendetwas über Starbuck gehört.
«Er ist verhaftet worden. Er steht unter Verdacht, mit dem Gegner Informationen ausgetauscht zu haben. Ha!» Faulconer sprach mit offenkundiger Befriedigung. «Er war nie zu irgendetwas gut, Pecker. Gott allein weiß, warum du ihn immer verteidigst.»
Bird wusste, dass sein Schwager Streit suchte, also weigerte er sich zu streiten. «Gibt es sonst noch etwas, Faulconer?», fragte er stattdessen kühl.
«Noch eins, Pecker.» Faulconer, der den Rock zugeknöpft und den Gürtel geschlossen trug, zog seinen gekrümmten Säbel und hieb damit betont lässig durch die Luft. «Die Wahlen», sagte Faulconer vage, als wäre ihm das Thema gerade eben erst in den Sinn gekommen.
«Ich habe alles vorbereitet.»
«Ich will keinen Unsinn erleben, Pecker.» Faulconer richtete die Säbelspitze auf Bird. «Keinen Unsinn, hast du gehört?»
In zwei Wochen sollte die Legion ihre Kompanieoffiziere neu wählen. Die Auflage war gerade von der Regierung der Konföderation erlassen worden, nachdem sie die Wehrpflicht eingeführt und gleichzeitig die Dienstzeit der Männer verlängert hatte, die ursprünglich nur für ein Jahr zur Armee gekommen waren.
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