Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Von nun an mussten die Einjährigen dienen, bis sie der Tod, Invalidität oder ein Friedensschluss aus den Rängen der Soldaten entließ. Doch weil die Regierung der Ansicht war, diese bittere Pille bräuchte eine Zuckerumhüllung, hatte sie auch bestimmt, dass die Einjährigen-Regimenter ein weiteres Mal ihre eigenen Offiziere wählen durften. «Was für einen Unsinn sollte es denn geben?», fragte Thaddeus Bird in aller Unschuld.
«Das weißt du, Pecker, das weißt du genau», gab Faulconer drohend zurück.
«Ich habe nicht die leiseste, nicht die geringste, überhaupt gar keine Ahnung, was du meinst», sagte Bird.
Die Säbelspitze fuhr herum und blieb nur wenige Zoll vor Birds zerzaustem Bart bebend in der Luft stehen. «Ich will Starbucks Name nicht auf dem Stimmzettel sehen.»
«Dann werde ich dafür sorgen, dass er nicht draufgedruckt wird», sagte Bird harmlos.
«Und ich will nicht, dass die Männer ihn bei der Wahl auf den Zettel schreiben.»
«Das, Faulconer, liegt außerhalb meines Einflusses. Nennt sich Demokratie. Ich glaube, dein Großvater und auch meiner haben für deren Einführung gekämpft.»
«Unsinn, Pecker.» Faulconer spürte die übliche Verdrossenheit, die ihn bei den Gesprächen mit seinem Schwager überkam, und das übliche Bedauern darüber, dass Adam es so stur ablehnte, Johnston zu verlassen und das Kommando der Legion zu übernehmen. Faulconer fiel kein anderer Mann ein, den die Männer der Legion statt Pecker akzeptieren würden, und sogar Adam, gestand sich Faulconer ein, würde Schwierigkeiten haben, seinen Onkel zu ersetzen. Und das bedeutete, dass Bird vermutlich zum Colonel des Regiments erhoben werden musste. Warum konnte Pecker angesichts dessen nicht wenigstens einen Hauch Dankbarkeit oder Kooperationsbereitschaft an den Tag legen? Washington Faulconer hielt sich für einen Mann von großzügigem und freundlichem Wesen, und dafür wollte er einfach nur gemocht werden, doch häufig schien er stattdessen Abneigung hervorzurufen. «Die Männer wären bestimmt nicht in der Versuchung, für Starbuck zu stimmen, wenn die Kompanie K von einem guten Offizier angeführt würde», gab Faulconer nun zu bedenken.
«Und der wäre?»
«Moxey.»
Bird verdrehte die Augen. «Den würde Truslow bei lebendigem Leib verspeisen.»
«Dann musst du Truslow maßregeln!»
«Warum? Er ist der beste Soldat in der Legion.»
«Unsinn», sagte Faulconer, aber er hatte keinen weiteren Kandidaten zum Vorschlagen. Er schob den Säbel zurück, und die Klinge fuhr zischend in die hölzerne Scheidenkehle. «Sag den Männern, dass Starbuck ein Verräter ist. Das sollte ihre Begeisterung abkühlen. Sag ihnen, dass er noch vor Monatsende gehängt wird, und sag ihnen, dass es genau das ist, was dieser Hundesohn verdient hat. Und er verdient es wirklich! Du weißt verdammt genau, dass er den armen Ethan ermordet hat.»
Nach Birds Ansicht war der Mord an Ethan Ridley das Beste, was Starbuck je getan hatte, doch er behielt seine Meinung für sich. «Hast du noch weitere Befehl, Faulconer?», fragte er stattdessen.
«Bereite alles zum Abmarsch in einer Stunde vor. Ich will, dass die Männer ordentlich aussehen. Wir marschieren durch Richmond, denk dran, also müssen wir unseren Anhängern etwas bieten.»
Bird trat aus dem Zelt und zündete sich eine Zigarre an. Armer Starbuck, dachte er. Er glaubte keine Sekunde an Starbucks Schuld, aber es gab nichts, was Bird hätte tun können, und der Schulmeister, der zum Soldaten geworden war, hatte schon lange beschlossen, sich nicht von Dingen beeinflussen zu lassen, die er nicht selbst beeinflussen konnte. Dennoch, dachte er, war es eine traurige Sache mit Starbuck.
Allerdings, überlegte Bird weiter, würde Starbucks Tragödie bestimmt in der größeren Katastrophe untergehen, die McClellans Einmarsch bedeutete. Wenn Richmond fiel, würde sich die Konföderation noch ein paar Monate verzweifelt zur Wehr setzen, doch ohne ihre Hauptstadt und ohne die Tredegar Iron Works, die größte und produktivste Waffenschmiede des Südens, würde die Rebellion wohl kaum überleben. Seltsam, ging es Bird durch den Kopf, als er am Rand des Feldlagers entlangging; es war auf den Tag erst ein Jahr her, seit die Rebellion mit den Kanonenschüssen auf Fort Sumter begonnen hatte. Ein Jahr, und nun schloss sich der Norden um Richmond wie eine riesige, gepanzerte Faust, die kurz davor war, sich zu ballen.
Trommeln wurden geschlagen, und die gerufenen Befehle der Exerziermeister
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