Starbuck. Der Verräter (German Edition)
General nicht ertragen. Wie hätten sich die Rebellen zurückziehen können? Noch am Vorabend hatten sie den Himmel mit ihrer Kanonade erhellt! Das Mündungsfeuer der Kanonen hatte am westlichen Horizont geflackert wie ein Sommergewitter, die Zündschnüre hatten ein gleißendes Muster in den Himmel gezeichnet, und der Hall der Explosionen war bedrohlich über das feuchte Land gerollt. Der General zog die Blende wieder zu und scheuchte seinen aristokratischen Adjutanten zurück zur Tür. Von unten ließ sich das Tickern des Telegraphen vernehmen, mit dem neue Nachrichten von den Ballonfahrern eintrafen, aber der General wollte nichts davon wissen. Er wollte noch eine Stunde Schlaf. «Wecken Sie mich um acht Uhr», befahl er. «Und sagen Sie, dass das Feuer eröffnet werden soll.»
«Ja, Sir, gewiss, Sir.» Der Comte de Paris zog sich still aus dem Raum zurück, schloss die Tür, und dann erlaubte er sich einen Seufzer über die Begriffsstutzigkeit des Generals.
Die Kanoniere warteten. Hinter ihnen, hoch am Himmel, hing der Ballon an seiner Fessel. Wolken zogen vor die Sonne, und die ersten Regentropfen klatschten auf die gummierte Ballonhülle. Ein Dutzend ausländischer Militärattachés und zwanzig Zeitungsschreiber warteten in den größten Geschützstellungen auf den Befehl zur Eröffnung des Feuers, doch obwohl die Kanonen ausgerichtet und die Zünder scharf waren, kam kein Befehl vom Ballon.
Stattdessen ritt eine kleine Kavallerieeinheit aus der Unionsstellung. Die Einheit bestand aus einem Dutzend Männern, die sich als Voraustrupp in einer auseinandergezogenen Linie bewegten, für den Fall, dass ein gegnerisches Geschütz mit Trauben- oder Büchsenkartätschen auf sie abgefeuert würde. Sie rückten mit äußerster Umsicht vor, hielten alle paar Schritt, während ihr Offizier die gegnerische Stellung durch sein Fernrohr musterte. Die Pferde senkten ihre Köpfe zu dem saftigen, langen Gras, das ungestört auf dem Gelände zwischen den gegnerischen Armeen gewachsen war.
Dann rückte die Kavallerie wieder vor. Hier und dort war in den gegnerischen Redouten ein Wachposten zu sehen, doch die Wachposten bewegten sich nicht einmal, wenn sie von den Kugeln der Scharfschützen aus dem Norden getroffen wurden. Die Wachposten waren Strohpuppen, die aufgegebene Stellungsgräben sicherten, denn in der Nacht hatte General Johnston den Verteidigungseinheiten Magruders den Befehl erteilt, sich nach Richmond zurückzuziehen. Die Rebellen waren in aller Stille abgezogen und hatten ihre Kanonen, ihre Zelte, ihre Feuer und alles andere, was sie nicht auf dem Rücken tragen konnten, aufgegeben.
General McClellan, der schließlich wach genug war, um sich den Tatsachen zu stellen, befahl eine Verfolgung, doch niemand in der Nordstaatenarmee war auf ein solch spontanes Manöver vorbereitet. Die Kavalleriepferde grasten, während die Kavalleristen Karten spielten und dem Regen zuhörten, der auf ihre Zelte trommelte. Die einzigen Einheiten, die zum Einsatz bereit waren, waren die Artilleristen, und diesen Männern waren über Nacht ihre Ziele abhandengekommen.
Es regnete heftiger, als die Infanterie der Nordstaaten die aufgegebenen Stellungen besetzte. Die Kavallerie sattelte schließlich die Pferde, aber die detaillierten Befehle zur Verfolgung blieben aus, sodass die Reiter nicht ausrückten. McClellan erstellte unterdessen seine Depesche für die Hauptstadt der Nordstaaten. Yorktown, schrieb der General nach Washington, sei in einer brillanten Demonstration der nordstaatlichen Überlegenheit gefallen. Er behauptete, dass einhunderttausend Rebellen mit fünfhundert Kanonen aus ihren Stellungen zurückgedrängt worden waren, sodass der Vormarsch auf die gegnerische Hauptstadt weitergeführt werden konnte. Es würden noch weitere erbitterte Schlachten folgen, gab er zu bedenken, aber zumindest an diesem Tag habe Gott den Norden mit seiner Gunst unterstützt.
Magruders Männer marschierten ohne jede Störung nach Westen, während sich der neue Napoleon zu seinem verspäteten Gabelfrühstück niederließ. «Wir haben heute einen Sieg errungen», erklärte er seinen Adjutanten. «Dank Gott dem Allmächtigen haben wir einen Sieg errungen.»
De’Ath erteilte Starbuck in der Halle des verfallenden Richmonder Hauses seine letzten Instruktionen. Regen strömte aus gebrochenen Dachrinnen wie ein Wasserfall über das Verandadach; er tropfte aus dem üppigen Laubwerk im Garten und lief in Pfützen auf der sandigen Zufahrt zusammen,
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