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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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wo de’Aths Kutsche wartete. In den vergoldeten Achskappen spiegelte sich das trübe Schimmern der flackernden Laternen auf der Veranda. «Die Kutsche wird Sie zu Ihren Damen bringen», sagte de’Ath mit spöttischer Betonung des Wortes ‹Damen›, «aber Sie werden den Kutscher höchstens bis Mitternacht warten lassen. Um diese Zeit soll er sie zu einem Treffen mit einem Mann namens Tyler bringen. Tyler ist der Lotse, der Sie durch die Linien führen wird. Das hier ist der Passierschein, mit dem Sie aus der Stadt kommen.» De’Ath reichte Starbuck einen der vertrauten braunen Passierscheine. «Tyler ist auch der Mann, der Sie zurückbringt. Falls Sie zurückkommen.»
    «Ich werde zurückkommen, Sir.»
    «Wenn dann noch etwas übrig ist, zu dem man zurückkehren kann. Hören Sie!» Der alte Mann deutete in Richtung der Straße hinter seiner hohen Gartenmauer, und Starbuck hörte die Geräusche von Rädern und Hufen. Seit der Nachricht von der Aufgabe Yorktowns, die in Richmond eine panikartige Flucht ausgelöst hatte, herrschte dichter Verkehr. Wer Geld hatte, mietete Karren oder Kutschen, stapelte sein Gepäck darauf und machte sich auf den Weg in die südlichen Countys, während diejenigen, die ihre Schätze nicht in Sicherheit bringen konnten, sie im Garten hinterm Haus vergruben. In den Fluren der Regierungsbehörden stapelten sich Kartons mit amtlichen Papieren. Auf den Kartons stand der Bestimmungsort Columbia, South Carolina, das die nächste Hauptstadt der Konföderation werden würde, falls Richmond fiel, und im Eisenbahndepot der Richmond and Petersburg Railway an der Byrd Street stand eine Lokomotive unter vollem Dampf bereit, um in gepanzerten Güterwaggons den Goldvorrat der Konföderation zu evakuieren. Sogar die Frau des Präsidenten, hieß es gerüchteweise, mache sich bereit, um ihre Kinder vor den anrückenden Yankees in Sicherheit zu bringen. «Das war zu erwarten», hatte de’Aths säuerlicher Kommentar gelautet, als diese Neuigkeit in Hyde House ankam. «Diese Frau hat die Kultur eines Fischweibs.»
    Nun, in der regnerischen Dunkelheit, überprüfte de’Ath, dass Starbuck im Besitz des gefälschten Briefes war, den sich der alte Mann nachmittags ausgedacht hatte. Die Schrift des Briefes ahmte die Großbuchstaben des Dokuments nach, das in Websters Hotelzimmer gefunden worden war, und das Schreiben berichtete über eine massive Truppenkonzentration der Rebellen in Richmond. Der Brief war in ein wasserdichtes Etui aus Wachstuch eingenäht, das in Starbucks Hosenbund versteckt war. «Ich habe ihn, Sir», sagte Starbuck.
    «Dann steh Ihnen Gott bei», sagte de’Ath unvermittelt und wandte sich ab.
    Starbuck erriet, dass er außer diesem kurzen Segen keinen weiteren Abschied zu erwarten hatte, legte sich Oliver Wendell Holmes’ Mantel um die Schultern, drückte sich seinen Schlapphut auf den Kopf und rannte durch den Regen zu der wartenden Kutsche. Er hatte keine Waffe dabei. Ein Schwert trug er schon seit seiner ersten Schlacht nicht mehr, sein Gewehr hatte er bei Sergeant Truslow gelassen, und der schöne Revolver mit dem Elfenbeingriff, den er Ethan Ridleys Leiche bei Manassas abgenommen hatte, war ihm während seiner Haft gestohlen worden. Starbuck hätte gerne einen Revolver gehabt, aber de’Ath hatte davon abgeraten. «Ihr Ziel ist es, durch die feindlichen Linien zu kommen und möglichst nicht für einen Schleuser gehalten zu werden. Gehen Sie unbewaffnet, heben Sie Ihre Hände hoch und lügen Sie wie ein Anwalt.»
    «Und wie lügt ein Anwalt, Sir?»
    «Mit Inbrunst, Mr. Starbuck, und nachdem er sich selbst, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, davon überzeugt hat, dass die Sachverhalte, die er da herunterleiert, der reinste Stoff für die göttliche Wahrheit sind. Sie müssen an die Lüge glauben, und um zu diesem Glauben zu kommen, müssen Sie sich selbst davon überzeugen, dass die Lüge nur eine Abkürzung auf dem Weg zum Guten ist. Wenn die Wahrheit einem Klienten nicht hilft, dann sagt ein Anwalt nicht die Wahrheit. Das Gute ist das Überleben des Klienten, und die Lüge ist die Dienerin des Guten. Und Ihre Lügen dienen dem Überleben der Konföderation, und ich bete zu Gott, dass Sie sich dieses Überleben ebenso sehr wünschen wie ich.»
    De’Aths schwarzer Kutscher saß in mehrere Umhänge gehüllt und mit einer Wachstuchkapuze über dem Kopf auf dem Kutschbock. «Wohin, Massa?», rief der Mann.
    «Fahren Sie einfach die Marshall Street runter. Ich sage Ihnen, wann Sie

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