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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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unruhigen Pferde knallen. Das Fuhrwerk war hoch mit Einrichtungsgegenständen beladen, die eine ungeeignete Plane nur halb vor dem Regen schützte.
    Starbuck ging von einem Lichtkegel der Gaslaternen zum anderen. Mit einem Mal bestürmten ihn Verlustgefühle. Er hatte Julia gegenüber geprahlt, dass der Süden nur wirklich anfangen müsse zu kämpfen, doch die Wahrheit sah wohl anders aus. Der Krieg war vorbei, der Aufstand niedergeschlagen, der Norden triumphierte, und Starbuck, der nach einem sinkenden Stern gegriffen hatte, wusste, dass er seinem Leben eine neue Richtung geben und sich einen anderen Weg suchen musste. Er blieb stehen, drehte sich um und betrachtete das Haus Faulconer. Dies war, so dachte er, ein Abschied. Eine Phase seines Lebens, die mit einer Freundschaft in Yale begonnen hatte, endete in einer Nacht der schrecklichen Niederlage, doch in ihrem Ende gestattete sich Starbuck zumindest eine Haltung selbstverleugnenden Edelmuts. Sein Freund hatte ihn zurückgewiesen, aber er war seinem Freund treu geblieben. Er hatte die Warnung an Adam auf den Weg gebracht und seinen Freund so vor dem Galgen in Camp Lee gerettet. Adam würde überleben, würde heiraten, und er würde es zweifellos weit bringen.
    Starbuck wandte sich von dem Haus ab und ging weiter zu de’Aths wartender Kutsche. Auf den Straßen hallten die eisenbeschlagenen Räder der Fuhrwerke und die Rufe der Kutscher wider. In den Häusern brannten noch zu später Stunde die Lichter. Unten im Tal rumpelte und ratterte ein Zug, seine Dampfpfeife schickte Klagetöne in den anhaltenden Regen. Sklaven und Bedienstete hievten Überseekoffer und Reisetaschen auf Fuhrwerke; Kinder weinten. Irgendwo im Osten, verhüllt von der Dunkelheit, rückte eine Vergeltungsarmee an, um eine Stadt zurückzufordern, und Starbuck machte sich auf den Weg, um sich selbst zu retten.
     
    Er ging durch die Hintertür und kam in die Küche, wo Grace und Charity auf dem schwarzen Herd Fleisch brieten. Die beiden Sklavinnen schrien auf, als Starbuck durch die Tür trat, dann begrüßten sie ihn mit einem Sturm von Fragen darüber, von wo er kam, und mit lebhaften Kommentaren über den Zustand seiner Kleidung und seiner Gesundheit. «Sie sind aber dünn geworden!», sagte Grace. «Wie sehen Sie nur aus!»
    «Ich habe euer Essen vermisst», sagte Starbuck, dann gelang es ihm zu sagen, dass er Miss Truslow sehen wollte. «Ist sie beschäftigt?»
    «Beschäftigt? Ja, sie ist mit den Toten beschäftigt!», sagte Grace unheilvoll, wollte aber keine weiteren Erklärungen abgeben. Stattdessen band sie sich die Schürze ab, strich notdürftig ihr Haar glatt und ging die Treppe hinauf. Fünf Minuten später kam sie zurück und sagte Starbuck, er solle über die Hintertreppe zu Sallys Schlafzimmer gehen und dort warten.
    Der Raum lag im dritten Stock, und vom Fenster aus konnte man über den nassen, verwilderten Garten zu dem Stallungsgebäude mit dem dunklen Fenster von Starbucks altem Zimmer blicken. Sallys Zimmer war mit einer eleganten, blassgrünen Streifentapete geschmückt, und an ihrem Himmelbett hingen grüne Stoffdraperien. Trockenblumen standen in einer Goldvase auf dem Kaminsims, und Landschaftsgemälde in lackierten Rahmen zierten die Wände. Das Zimmer wurde von zwei Gasglühstrümpfen beleuchtet, doch für den Fall einer Gasunterbrechung standen auch Kerzen auf einem Tisch. Die Möbel waren mit Wachs poliert, die Gardinen sauber, die Teppiche gut geklopft und gelüftet. Es war ein Raum, der gediegene amerikanische Tugend ausstrahlte, ein Raum, auf den Starbucks Mutter stolz gewesen wäre.
    Die Tür wurde aufgeklinkt, und Sally eilte herein. «Nate!» Sie rannte quer durchs Zimmer und schlang ihre Arme um seinen Hals. «O Gott! Ich hatte solche Angst um dich!» Sie küsste ihn, dann schmiegte sie sich an seine Brust. «Ich habe versucht, dich zu finden. Ich war im Stadtgefängnis, dann unten im Lumpkin’s, und ich habe Leute um Hilfe gebeten, aber es hat nichts genutzt! Ich durfte nicht zu dir. Ich wollte, aber …»
    «Es ist in Ordnung. Mir geht es gut», erklärte er ihr. «Wirklich, es geht mir gut.»
    «Du bist dünn.»
    «Ich nehme wieder zu», sagte er und lächelte, dann neigte er seinen Kopf zur offen stehenden Tür, durch die Gelächter aus dem Erdgeschoss zu hören war.
    «Sie lassen die Toten auferstehen», sagte Sally erschöpft. Sie zog den Einsteckknoten aus ihrem Haar und legte ihn sorgsam auf ihre Frisierkommode. Ohne die künstlichen Locken sah sie

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