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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Er hatte das breite Gesicht seines Vaters, einen eckig geschnittenen, blonden Bart und blaue Augen. Es war ein Gesicht, so hatte Starbuck immer gedacht, von unkomplizierter Aufrichtigkeit, auch wenn es dieser Tage wirkte, als hätte Adam seinen alten Humor verloren und mit immerwährender Sorge um die Probleme der Welt ersetzt.
    Nach dem Essen gingen die beiden Freunde ostwärts am Rand der Wiese entlang. Die Unterstände der Legion aus Holz und Erdsoden waren noch da und sahen aus wie grasüberwachsene Schweinekoben. Starbuck tat so, als höre er den Erzählungen seines Freundes vom Hauptquartier zu, doch eigentlich dachte er daran, wie wohl er sich in seinem erdbedeckten Unterschlupf gefühlt hatte. Wenn er sich abends hingelegt hatte, war er sich vorgekommen wie ein Tier in seinem Bau: sicher, versteckt und unbemerkt. Sein altes Schlafzimmer in Boston mit seiner Eichentäfelung und den breiten Kiefernholzdielen und Gasglühstrümpfen und ehrfurchtgebietenden Bücherregalen erschien ihm nun wie ein Traum, etwas aus einem anderen Leben. «Es ist merkwürdig, wie mir die Unbequemlichkeit gefällt», sagte er leichthin.
    «Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?», fragte Adam.
    «Entschuldige, ich war in Gedanken.»
    «Ich habe über McClellan geredet», sagte Adam. «Jeder hält ihn für eine Genie. Sogar Johnston sagt, McClellan sei der klügste Mann der gesamten alten U.S. Army.» Adam redete voller Begeisterung, als wäre McClellan der neue Kommandant der Südstaatentruppen und nicht der Befehlshaber der Nordstaatenarmee vom Potomac. Adam warf einen Blick nach rechts, ein plötzliches Anschwellen des Musketengeknatters im Wald auf dem anderen Flussufer hatte ihn aufmerksam gemacht. Das Gefecht war in der letzten Stunde nur noch sporadisch zu hören gewesen, doch nun verdichtete sich der Schusswechsel zu einem ununterbrochenen Knacken, das klang, als würde trockener Zunder auflodern. Die Schüsse wüteten etwa eine halbe Minute, dann fielen sie in ein stetiges und beinahe monotones Rattern zurück. «Sie müssen über den Fluss zurück nach Maryland!», sagte Adam wütend, als würde ihn die Dickköpfigkeit beleidigen, mit der die Yankees auf dieser Seite des Flusses blieben.
    «Erzähl mir lieber noch mehr über McClellan», sagte Starbuck.
    «Er ist der kommende Mann», sagte Adam lebhaft. «So etwas passiert im Krieg, weißt du? Die alten Kameraden beginnen den Kampf, und dann trennen die jungen mit den neuen Ideen die Spreu vom Weizen. Es heißt, McClellan ist der neue Napoleon!» Adam hielt inne, offenkundig besorgt, dass er zu angetan von dem neuen, gegnerischen General klingen könnte. «Hast du wirklich einem Mann für Kaffee die Kehle durchgeschnitten?», fragte er unbeholfen.
    «Ich war nicht so kaltblütig, wie es sich bei Decker anhört», sagte Starbuck. «Ich habe versucht, den Mann ruhig zu halten, ohne ihn zu verletzen. Ich wollte ihn nicht umbringen.» In Wahrheit war er in dem Moment zu Tode erschrocken, hatte gezittert und war in Panik geraten, und doch hatte er die ganze Zeit gewusst, dass die Sicherheit seiner Männer davon abhing, dass der Krämer ruhig blieb.
    Adam verzog das Gesicht. «Ich kann mir nicht vorstellen, jemanden mit einem Messer zu töten.»
    «Ich hätte mir auch nie vorgestellt, dass ich es je tun würde», bekannte Starbuck, «aber Truslow hat mich an ein paar uns zugeteilten Schweinen üben lassen, und es ist nicht so schwer, wie man denkt.»
    «Gütiger Gott», sagte Adam mit schwacher Stimme. «Schweine?»
    «Nur junge», sagte Starbuck, «sind aber trotzdem unheimlich schwer zu töten. Bei Truslow sieht es ganz einfach aus, aber bei ihm sieht alles einfach aus.»
    Adam dachte über die Vorstellung nach, das Töten zu üben, als wäre es die Grundlage eines Handwerksberufs. Es schien entsetzlich. «Hättest du den Mann nicht einfach niederschlagen können?», fragte er.
    Starbuck lachte über diese Frage. «Ich musste mir bei dem Kerl doch ganz sicher sein, oder etwa nicht? Natürlich musste ich das! Das Leben meiner Männer hing davon ab, dass er ruhig war, und man muss für seine Männer sorgen. Das ist die erste Regel im Kriegshandwerk.»
    «Hast du das auch von Truslow gelernt?», fragte Adam.
    «Nein.» Starbuck klang erstaunt über die Frage. «Das ist doch wohl eine offensichtliche Regel.»
    Adam sagte nichts. Stattdessen dachte er, und nicht zum ersten Mal, wie unterschiedlich Starbuck und er doch waren. Sie hatten sich in Harvard kennengelernt, und jeder

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