Starbuck. Der Verräter (German Edition)
etwas.»
«Und was,
mon ami
?»
«Mein Leben», sagte Starbuck.
«Ach, Unsinn! Solche Schulden macht man oft auf dem Schlachtfeld, und genauso oft gleicht man sie wieder aus.»
«Ich stehe trotzdem in Ihrer Schuld», beharrte Starbuck.
Lassan lachte. «Sie sind ein echter Puritaner. Sie lassen sich von der Angst zu sündigen reiten wie von einem Jockey. Also gut, ich nehme das Pferd als Strafe für die Sünden, die Sie sich einbilden. Wir sehen uns bald wieder, nicht wahr?»
«Das hoffe ich», sagte Starbuck. Aber das würde nur geschehen, wenn der Plan aufging, den er im Kopf hatte. Sonst, dachte er, würde er nämlich in einer kühlen Morgendämmerung an einem hohen Galgen baumeln, und er spürte die Versuchung, Pinkertons Papiere einfach wegzuwerfen. «Das hoffe ich», wiederholte er und widerstand der Versuchung.
«Und denken Sie an das, was ich Ihnen beigebracht habe», sagte Lassan. «Wenn es um Männer geht, niedrig zielen, aber wenn es um Frauen geht, das Ziel hoch stecken.» Er gab Starbuck die Hand. «Viel Glück, mein Freund.» Der Franzose ging los, um sich im Hauptquartier der Konföderierten vorzustellen, während sich Starbuck mit seinen paar Beutestücken vom Schlachtfeld langsam auf den Weg nach Norden machte. Er hatte ein gutes Rasiermesser mit Elfenbeingriff, ein Opernglas und einen Steingutbecher Kaffee. Er trank den Kaffe im Gehen und warf den leeren Becher weg, als er die Felder erreichte, auf denen die Brigade Faulconer ihr Lager hatte.
Es war Zeit, das zu tun, was ihm Sally schon so lange geraten hatte; es war Zeit zu kämpfen.
Er betrat das Feldlager, als die Soldaten gerade vom nachmittäglichen Gottesdienst zurückkamen. Er achtete darauf, einen Bogen um die Reihen der Legion zu schlagen, und ging stattdessen zu den Firstzelten des Hauptquartiers, die um zwei Kiefern standen, welche von ihren Ästen befreit worden waren und nun als Fahnenstangen dienten. An dem höheren Baum flatterte die Kriegsflagge der Konföderierten, der etwas kleinere trug die Flagge, die nach dem Wappen der Faulconers mit ihrem Motto «Forever ardent» – Leidenschaft allezeit – gestaltet worden war. Nelson, General Washington Faulconers Diener, war der erste Mann der Legion, der Starbuck im Lager sah. «Sie müssen wieder gehen, Mr. Starbuck. Wenn der Master Sie sieht, wird er sie verhaften lassen!»
«Schon gut, Nelson. Wie ich gehört habe, ist Master Adam hier?»
«Das stimmt, Sir. Und Captain Moxey teilt sein Zelt mit ihm, Sir, bis sie ein eigenes für ihn haben. Der Master ist so froh, dass er wieder da ist.»
«Moxey ist jetzt Captain?», fragte Starbuck belustigt.
«Er ist einer der Adjutanten des Generals, Sir. Und Sie sollten nicht hier sein, Sir, wirklich nicht. Der General kann Sie nicht ausstehen, Sir.»
«Zeig mir Moxeys Zelt, Nelson.»
Es war ein großes Zelt, das nicht nur zum Schlafen, sondern auch als Brigadebüro genutzt wurde. Zwei Feldbetten standen darin, zwei lange Tische und zwei Stühle, alles auf einem Boden aus Holzlatten. Auf Moxeys Bett türmten sich schmutzige Kleidungsstücke und abgelegte Ausrüstungsgegenstände, während Adams Feldgepäck ordentlich auf seinen säuberlich gefalteten Decken gestapelt war. Auf den Tischen lag die Büroarbeit, die das Kriegshandwerk mit sich brachte, und sämtliche Papierstapel waren mit Steinen beschwert, die dafür sorgten, dass der Wind, der durch die zurückgeschlagenen Zeltklappen hereinfuhr, die Dokumente nicht durcheinanderwirbelte.
Starbuck setzte sich auf einen der Segeltuch-Klappstühle. Das Licht der Mittagssonne, das ohnehin schon sehr schwach war, wurde von den Zeltbahnen in kränkliches Gelb verwandelt. Im Durcheinander von Moxeys Habseligkeiten entdeckte Starbuck einen Savage-Marinerevolver und nahm die Waffe gerade an sich, als auch schon die ersten Offiziere zum Hauptquartier zurückkamen. Pferde stampften mit den Hufen auf, Diener und Sklaven hasteten heran, um die Zügel zu übernehmen, während die Offiziersköche das Abendessen zu den Tischen der Messe trugen. Starbuck sah, dass der Savage nicht geladen war, aber, typisch für Moxeys Nachlässigkeit, auf einem der Pistons noch ein Zündhütchen saß. Er drehte die Trommel, bis das Zündhütchen vor die nächste Schussposition kam, dann sah er auf, und in diesem Augenblick duckte sich Captain Moxey unter dem Vorzelt herein. Starbuck grinste, aber sagte nichts.
Moxey sah ihn fassungslos an. «Sie sollten nicht hier sein, Starbuck.»
«Das höre ich ständig.
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