Starcraft II - Flashpoint (German Edition)
einen Portwein liefern lassen. Sie mögen dunkelrote Sorten doch lieber als die goldbraunen, nicht wahr?“ Die Kellner brachten eine alte, staubige Flasche und drei kleine Gläser.
„Das ist richtig. Wie aufmerksam von Ihnen, sich daran zu erinnern.“ Während der Wein eingeschenkt wurde, sagte Valerian zu Jim: „Zwischen meinem Vater und mir gibt es sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. Wir mögen beide einen guten Portwein. Er bevorzugt die rubinroten, ich die lohfarbenen.“
Jim nahm sein Glas bereitwillig entgegen. Sollte dieses Abendessen ein aufwendiger Versuch sein, ihn zu vergiften, dann hätte man schon eher zugeschlagen. Und einen guten Drink lehnte er nie ab – für gewöhnlich noch nicht einmal einen schlechten.
Er trank ein Schlückchen. Der Wein war fast so gut wie das Dessert. „Hm! Kirsch und Karamell, würde ich sagen.“
Valerian hob anerkennend eine goldene Braue. „Sie haben einen feinen Gaumen, Mr. Raynor.“
„Komisch, wo ich es doch gewohnt bin, das billige Zeug zu trinken“, sagte Jim, ohne sich seiner Worte zu schämen. Er schämte sich selten für die Wahrheit. Er nahm noch einen kleinen Schluck. Daran hätte er sich gewöhnen können.
„Es freut mich, dass er Ihnen schmeckt, Prinz Valerian“, sagte Narud. Er nickte dem Kellner zu. „Räumen Sie bitte den Tisch ab, und bringen Sie den rubinroten Portwein!“
„Aber hat der gute Mann nicht gesagt, es sei sein Vater, der …“
Und dann wusste Jim Bescheid, den Bruchteil eines Herzschlags bevor sich die Tür öffnete und drei bewaffnete, aber ungepanzerte Wachen erschienen. Valerian sah ihnen völlig verblüfft entgegen. Während seine Sinne sich schärften und seine Gedanken in den höchsten Gang schalteten, um einen Ausweg zu finden, empfand Jim einen seltsamen Anflug von Mitgefühl für den Jungen.
„Sie Scheißkerl!“, sagte Raynor zu Narud.
„Emil … was …?“ Valerian schien nicht einmal mehr imstande, einen ganzen Satz zu formulieren; er konnte seinen „Freund“ nur mit offenem Mund und vor Entsetzen geweiteten Augen anstarren.
„Mr. Raynor ist dahintergekommen“, sagte Narud. Er lächelte dünn. „Ich bedaure, Sie informieren zu müssen, Ihre Exzellenz, dass Ihr Vater in wenigen Augenblicken hier sein wird. Mit“, fügte er hinzu, „dem Rest der ganzen Flotte im Rücken.“
Valerian wirkte immer noch völlig fassungslos. Mit großen Augen schaute er zu Jim, der den Blick ruhig erwiderte.
Du bist kein Telepath wie Sarah, dachte Jim. Aber du bist auch kein Narr. Du warst lange genug mit mir und Matt zusammen. Lies in meinen Augen! Reim’s dir zusammen, Valerian! Und mach dich bereit, verdammt! Sonst sind wir beide tot.
Jim zuckte die Schultern und griff nach der Portweinflasche. „Nun, nachdem das vermutlich der letzte gute Tropfen ist, den ich je bekommen werde, gönne ich mir lieber noch …“
Er sprang auf und warf den Portwein nach der ersten Wache. Der Mann duckte sich, aber nicht schnell genug. Die Flasche streifte seine Schläfe.
Valerian sprang in der gleichen Sekunde hoch wie Jim und stürzte sich mit zwei sehr erlesenen und sehr scharfen Steakmessern auf die Wache, die ihm am nächsten war. Der Mann, der Valerians vorgetäuschter Hilflosigkeit voll auf den Leim gegangen war, hob seine Waffe – eine halbe Sekunde zu spät. Er ging gurgelnd zu Boden, Blut sprudelte ihm aus dem Mund. Zwei Messer steckten bis zum Heft in seiner Kehle. Valerian ergriff die Waffe, die der Mann fallen gelassen hatte, drehte sich um und feuerte auf die dritte Wache. Er durchsiebte den Körper des Mannes mit Stahlspitzenbolzen.
Guter Junge, dachte Jim und schnappte sich einen Stuhl, den er der Flasche hinterherwarf. Dieser Mann hatte allerdings mit dem Angriff gerechnet. Er warf sich beiseite, rollte sich ab, kam hoch und schoss.
„Ihr Narren!“, fauchte Narud. „Glaubt ihr etwa, ihr könntet entkommen? Prometheus ist meine Station, und sie wimmelt von meinen und Mengsks Leuten!“
Jim tauchte unter den Tisch. Er biss die Zähne zusammen, stemmte die Füße fest gegen den Boden, und während er die Beine durchstreckte und den Tisch in die Senkrechte wuchtete, stellte er sich Tychus Findlay vor, wie dieser vor so langer Zeit die Jukebox hochgehoben hatte. Das Möbelstück war massiv, aber nicht so groß, dass es nicht umkippte. Narud, der noch gesessen hatte, sprang auf und taumelte nach hinten.
Jim setzte ihm nach.
Und landete hart auf dem Boden.
Narud war verschwunden.
„Was zum …?“
Weitere Kostenlose Bücher