Stardoc 01 - Die Seuche
und auf Trunock gab es zu viele schmerzliche Erinnerungen. Also kam ich hierher.«
»Das tut mir Leid.« Verflucht sei mein Vater.
»Es ist lange her.« Sie hob einen vollen Disc-Halter mit beiden Händen vom Tisch und reichte ihn mir. »Zu etwas Erfreulicherem. Das hier sind die Fakten, mit denen Sie sich so schnell wie möglich vertraut machen sollten. Soziopolitische Strukturen, geschichtlicher Überblick, Richtlinien für die Gemeinschaftsarbeit, all das.«
»Sie sagten erfreulicher ?«
Sie schmunzelte über meine kleine Stichelei. »Ich weiß, aber Neuankömmlinge sind dazu verpflichtet. Beachten Sie bitte vor allem unsere Verfassung. Das hat Priorität, denn nach einem Fünftel Umlauf können Sie sich nicht mehr damit herausreden, dass Sie sie nicht kennen. Sehr langweilig, wie man mir berichtete, aber Sie sind sicher von Berufswegen an solche Daten gewöhnt.«
Ich seufzte. »Wir Ärzte leben für nichts anderes.«
»Hervorragend. Jetzt sollten wir uns um Ihren Status kümmern.« Sie schob eine Disc in ihr Schreibtischterminal. »Sie sind als Arzt bei der Kolonie angestellt und wurden der Ambulanz der Öffentlichen Klinik zugeteilt.« Ana las einige Augenblicke auf dem Bildschirm. »Sie haben einen sehr beeindruckenden Lebenslauf, Doktor.«
»Cherijo. Wenn Sie mich Doktor nennen, muss ich mir Notizen auf einem Krankenblatt machen.«
»Natürlich.« Sie sah meine Kopien durch. »Ihre Prüfungsergebnisse liegen durchgängig im Spitzenbereich. Prüfungserster aller ihrer Klassen. Eine angesehene Praxis auf der Heimatwelt. Ehrentitel und Preise.« Ihr neugieriger Blick machte mich etwas zappelig. »Sie sind ja ein richtiges Wunderkind.«
»Ich hatte Glück, mein Vater ist ebenfalls Arzt.« Ich verkrampfte meine Hände ineinander und zwang mich, sie zu entspannen, während ich meine Gedanken weiterhin unter Kontrolle hielt. »Seine Führung war für die meisten meiner Erfolge verantwortlich.« Wenn man das, was er mir angetan hatte, noch Führung nennen konnte.
Sie runzelte die Stirn. »Ich sehe hier, dass Sie der einzige Neuankömmling seit über zwei Umläufen sind, den wir für diesen Bereich der Öffentlichen Klinik gewinnen konnten. Ich wusste gar nicht, dass so wenig Personal zur Verfügung steht.« Sie warf mir einen entschuldigenden Blick zu. »Ich befürchte, Sie sind die erste Ärztin, die ich jemals eingeführt habe. Darum muss ich mich mal kümmern.« Sie machte sich eine Notiz auf ihrem Datenblock.
»Zwei Jahre?«, sagte ich, dann murmelte ich: »Kein Wunder, dass es am Raumhafen keine Warteschlange gab.«
Sie starrte auf den Schirm. »Meinen Daten zufolge besteht die gesamte Ärzteschaft im Moment aus den Doktoren Mayer, Rogan, Dloh, Crhm und mu Cheft.«
»Wer besetzt die ganzen klinischen Posten?«
Sie überprüfte es. »Schwestern, Praktikanten, ein omorrianischer Heiler, der sich um die eher … abergläubischen Patienten kümmert.«
Ich schüttelte den Kopf. Das konnte man nicht mal eine Basisbelegschaft nennen.
»Wie viele Leute leben auf dem Planeten?« Ich fürchtete mich vor der Antwort.
Ana griff erneut auf ihre Datenbank zu. »Heutiger Stand: 74 014.«
Ein stummes Blinklicht leuchtete an ihrer Konsole auf, und sie entschuldigte sich für einen Augenblick. Während sie mit dem Anrufer sprach, rechnete ich. Es kam eine niederschmetternde Zahl heraus. Ich stellte meinen Tee ab und wartete, bis sie das Gespräch beendet hatte.
»Wissen Sie, was das bedeutet, wenn es jemals zu einem ernst zu nehmenden Notfall kommt? Im Krisenfall müsste sich jeder Doktor um mehr als zwölftausend Patienten kümmern.« Ich wusste nicht, ob ich wütend sein oder versuchen sollte, Dhreen anzufunken, damit er mich, so schnell es ging, von diesem Planeten holte. »Ana, wenn es eine Epidemie geben sollte …«
»Wären wir hilflos, ich weiß.« Sie deaktivierte ihr Terminal und fuhr eilig fort: »Ich werde diese Angelegenheit beim Rat vortragen. Bis wir mehr Ärzte anwerben können, müssen wir zurechtkommen.« Sie warf die Disc aus und steckte eine andere hinein. »Ich habe Ihnen auch einen Jahresarbeitsplan erstellt. Bis auf den heutigen Tag sind sie in der Alphaschicht.«
»Frühschicht?«
»Ja, Beta ist die Spätschicht und Cappa die Nachtschicht. Ihre Freizeit richtet sich nach der Patientenzahl. Vermutlich vier Tage Arbeit, ein Tag frei, aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Sie Ihren freien Tag auch immer erhalten werden. Aufgrund der dünnen Personaldecke kann sich alles
Weitere Kostenlose Bücher