Stark (Dark Half) - King, S: Stark (Dark Half) - The Dark Half
durchzogen von Rissen, die aussahen wie Bodenrisse in einem ausgetrockneten Überschwemmungsgebiet, reckte sich aus seinem verzerrten, grinsenden Mund.
Sie hörte sofort auf, sich zu wehren.
»Besser«, sagte Stark. »Und nun lasse ich dich los, meine allerliebste Beth. Wenn ich das tue, wird dich abermals das Verlangen überkommen, die hundert Meter in fünf Sekunden zu laufen. Das ist nur natürlich; wir kennen uns noch kaum, und mir ist klar, daß ich nicht gut aussehe. Aber bevor du irgendwelche Dummheiten machst, solltest du an deine Kinder denken, die oben friedlich schlafen. Kinder brauchen ihre Ruhe, nicht wahr? Besonders so kleine Kinder, so wehrlose Kinder. Hast du mich verstanden? Hast du begriffen?«
Sie nickte. Jetzt konnte sie ihn riechen. Es war ein gräßlicher Fleischgestank. Er verfault, dachte sie. Verfault hier vor meinen Augen.
Und sie begriff, warum es so wichtig für ihn war, daß Thad wieder zu schreiben begann.
»Du bist ein Vampir«, sagte sie heiser. »Ein gottverdammter Vampir. Und er hat dich auf Diät gesetzt. Also brichst du hier ein. Terrorisierst mich und bedrohst meine Kinder. Du bist ein gottverdammter Feigling, George Stark.«
Er gab sie frei und zog zuerst den linken und dann den rechten Handschuh wieder straff und glatt - ein pedantischer und gleichzeitig seltsam unheildrohender Akt.
»Ich finde, das ist unfair, Beth. Was würdest du tun, wenn du in meiner Lage wärest? Wenn du zum Beispiel auf einer Insel gestrandet wärest, ohne etwas zum Essen oder Trinken zu haben? Würdest du hinsinken und hübsche Seufzer ausstoßen?
Oder würdest du kämpfen? Willst du mir wirklich vorwerfen, daß ich etwas so Simples verlange wie Überleben?«
»Ja!« Sie spie ihm das Wort entgegen.
»Gesprochen wie eine treue Parteigängerin - aber du wirst deine Ansicht möglicherweise ändern. Der Preis für Parteigängerschaft könnte höher werden, als dir jetzt klar ist, Beth. Wenn die Opposition schlau und zielstrebig ist, kann er sogar sehr hoch werden. Es kann durchaus sein, daß du für unsere Zusammenarbeit mehr Begeisterung aufbringen wirst, als du es je für möglich gehalten hättest.«
»Träum ruhig weiter, du Scheißkerl!«
Die rechte Seite seines Mundes hob sich, die ewig grinsende linke Seite ruckte ein Stückchen höher, und er bedachte sie mit einem Lächeln, von dem sie vermutete, daß es gewinnend sein sollte. Seine Hand, widerwärtig kalt unter dem dünnen Handschuh, glitt liebkosend über ihren Unterarm. Ein Finger drückte vielsagend in ihre linke Handfläche und wurde dann zurückgezogen. »Das ist kein Traum, Beth - das kann ich dir versichern. Thad und ich, wir werden gemeinsam an einem neuen Stark-Roman arbeiten - eine Weile. Anders ausgedrückt - Thad wird mir einen Schubs geben. Ich bin wie ein liegengebliebenes Auto, nur daß es sich bei mir nicht um Wasser im Vergaser handelt, sondern um einen harmlosen Fall von Schreibblockierung. Das ist alles. Und soweit ich es beurteilen kann, ist das mein einziges Problem. Sobald ich wieder ins Rollen gekommen bin, lege ich den zweiten Gang ein, lasse die Kupplung los - und ab geht’s!«
»Du bist verrückt«, flüsterte sie.
»Ja, das kann schon sein. Aber das war Tolstoi auch. Und Richard Nixon, und den haben sie zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt.« Stark drehte den Kopf und schaute aus dem Fenster. Liz hörte nichts, aber er schien plötzlich ganz konzentriert zu lauschen, angestrengt bemüht, einen schwachen, fast unhörbaren Laut wahrzunehmen.
»Was hast du...« setzte sie an.
»Halt die Klappe«, befahl Stark.
Ganz schwach hörte sie, wie ein Schwarm Vögel sich in die Luft schwang. Das Geräusch war unvorstellbar leise, unvorstellbar schön. Unvorstellbar frei.
Sie stand da und musterte ihn, mit viel zu schnell pochendem Herzen, überlegte, wie sie ihm entkommen konnte. Er war nicht direkt in Trance, aber seine Aufmerksamkeit war eindeutig abgelenkt. Vielleicht konnte sie zu den Polizisten hinauslaufen. Sie wußte, daß er sie verletzt haben mußte, wußte, daß er es vermutlich nicht dabei belassen hatte, aber selbst wenn sie tot waren, hatten sie wahrscheinlich noch ihre Waffen. Wenn sie an einen Revolver kommen konnte...
Seine widerliche Hand packte wieder eines ihrer Handgelenke.
»Ich kann in deinen Mann hineinschlüpfen und aus ihm herausschauen. Ich kann fühlen , was er denkt. Bei dir kann ich das nicht, aber ich kann dir ins Gesicht sehen und ziemlich exakte Vermutungen anstellen.
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